„Das ist ein Scheißkrieg hier, aber das will ja keiner wahrhaben“: Die neue deutsche Graphic Novel „Wave and Smile“ erzählt vom Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan – aus der Frontschweinperspektive.

Stuttgart - Das Jahr 2009. Irgendwo in der afghanischen Provinz Kundus sitzen zwei Einheimische neben einem Panzerwrack und deuten ins Tal, wo sich eine deutsche Militärpatrouille nähert. Gleich darauf gerät der kleine Soldatentrupp in einen Hinterhalt, ein Fahrzeug explodiert unter Raketenbeschuss, und Hauptmann Chris Menger schreibt nun unter den gerahmten Bildern dreier getöteter Kameraden einen Bericht in sein Notebook und denkt: „Das ist ein Scheißkrieg hier, aber das will ja keiner wahrhaben.“

 

Mit diesem Prolog beginnt Arne Jyschs „Wave and Smile“, der erste deutsche Comic, besser: die erste deutsche Graphic Novel über den ISAF-Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch. Der 38-jährige Berliner Zeichner und Filmregisseur hatte sich vorher nur wenig für diesen Krieg interessiert, war „anfangs eher für den Einsatz“ und wollte dann, nach einer Diskussion mit einem Gegner, mehr wissen. Jysch hat für seine Geschichte also Bücher gelesen, mit Journalisten und Soldaten gesprochen, und war dann, wie er sagt, ein wenig überrascht, als ihm auch das Verteidigungsministerium bereitwillig Kontakte zu einem Oberstleutnant des Einsatzführungskommandos in Potsdam vermittelt hat.

Von realen Figuren inspiriert

Seine mit Bleistift gezeichnete und dann aquarellierte Geschichte um den Hauptmann Menger, die Fotografin Anna und den Hauptfeldwebel Marco sei von realen Figuren inspiriert, sagt Jysch, und sie spiele in einer „Art erfundenem Afghanistan auf der Basis der Realität, um möglichst viele Konflikte und Widersprüche der Situation in meiner Erzählung unterzubringen“. Ein bisschen zu viele vielleicht, aber letztlich trägt das Handlungsgerüst die Informationen, zumal diese didaktisch geschickt in den Plot integriert sind. Als ein Bundeswehr-Hubschrauber beschossen wird und im feindlichen „Indianerland“ notlanden muss, bezeichnet der Soldat Rocker diesen Krieg als „Kinderkacke“ und sagt: „Entweder richtig rein, die Schweine ausschalten. Oder gar nicht.“

„Wave and Smile“ ist eine von Kampfanzugs-Braun- und Ockertönen dominierte Geschichte, die sich die Sicht der frustrierten Soldaten vielleicht nicht ganz zu eigen macht, aber doch großes Verständnis für sie aufbringt. Auch deshalb setzt Jysch wohl auf einen Detailrealismus, hat sich sogar Panzer und Helikopter als Modelle gebaut, um sie aus jeder Perspektive zeichnen zu können, benutzt abkürzungsdurchsetzten Fachjargon (da rollen TPZ, da fliegen RPG), zitiert in der „Lummerland-Bar“ des deutschen Lagers Bin-Laden-Witze oder zeigt Wegweiser mit der Angabe: „Limburg 5056 km“.

Frontschweinperspektive

Aber diese Graphic Novel will nicht nur für die Frontschweinperspektive glaubwürdig sein, sie will auch in Deutschland von einem Krieg berichten, den der größere Teil der Bevölkerung ablehnt und von dem wohl auch die Befürworter kaum etwas hören wollen. In TV-Krimis taucht ab und zu ein traumatisierter Heimkehrer auf, ansonsten aber wird der soldatische Alltag in Afghanistan eher verdrängt. Seit einem Jahrzehnt ist die Bundeswehr dort im Einsatz, es ist in dieser Zeit, so die Protagonisten, schlimmer geworden. Früher sei man sogar noch mit ungepanzerten Jeeps rausgefahren, heute sei jeder Kontakt zu einer enttäuschten und manchmal die Seite wechselnden Bevölkerung problematisch. Die zum Winken und Lächeln auffordernden Schilder („Wave and Smile“) an den Lagertoren sind schon längst abmontiert.

Am Ende kehrt Chris Menger, dessen Ehe bei einem Heimaturlaub in die Brüche gegangen ist, nach Afghanistan zurück, um seinen vermissten Kameraden Marco allein und als Journalist getarnt aufzuspüren. Er reist auch nach Pakistan und spricht mit einem Taliban-Führer, für den die Deutschen nur Lakaien der USA sind: „Wenn ihr nicht in einem Krieg kämpfen wollt, dann dürft ihr nicht mitmachen!“

In dieser Geschichte, in der auch ein tadschikischer Warlord seinen Auftritt hat, werden also viele verwandte Themen, Sichtweisen und Standpunkte be- und verhandelt. Seine eigene Haltung jedoch stellt Arne Jysch zurück, er erzähle, so der Carlsen-Verlag, „spannend, ohne ideologisch oder belehrend zu sein“. Jysch selber aber spricht inzwischen von der „Sinnlosigkeit des Ganzen“, es träfen da „Welten aufeinander, die nicht zusammenkommen können.“

Comic: „Wave and Smile“ hat 200 Seiten, kostet 24,90 Euro und erscheint am 2. Juli.