Auch Verbraucherverbände sind im neuen Bündnis für das Überleben der bäuerlichen Landwirtschaft - mit Sorge wird der Wegfall der Milchquote erwartet.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Wovon kann der Schwarzwaldbauer leben? Von der Milch seiner Kühe? "Was wir von der Molkerei kriegen, ist nicht kostendeckend", sagt Matthias Maier (42) und schüttelt ernst den Kopf. "Das da oben ist mein bestes Geschäft, das macht am wenigsten Arbeit", sagt der Bauer vom Ruhhof im Oberrieder Tal südöstlich von Freiburg und zeigt auf das Scheunendach mit den Solarmodulen.

 

Vor sechzehn Jahren, im Jahr 1995, hat der junge Landwirt den Hof von seinem Vater übernommen, wie der ihn von seinem Vater geerbt hat. 65 Hektar, davon 19 eigene bewirtschaften die Maiers, das Weideland brauchen sie für die Kühe, nicht nur zum "Jogging", sondern für das Grünfutter. Der Hof ist ein Dreigenerationenhaus: Vater und Mutter Maier arbeiten noch voll mit.

Matthias Maier und seine Frau Margarete (41) haben drei Kinder im Alter von drei, 13 und 16 Jahren, auch die beiden größeren gehören zu den "ehrenamtlichen Mitarbeitern", wie der Bauer sie verschmitzt nennt. Und ohne die es nicht geht. Zusätzlich ist auch ein Kollege an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, der tagsüber als Gärtner berufstätig ist und abends hilft.

Speiseeis vom Bauernhof

Der Ruhbauernhof ist diversifiziert, würde man in der Industrie sagen. Die landwirtschaftlichen Standbeine sind 65 Milchkühe und Holz aus zehn Hektar Wald. Der Hof ist auch Sammelstelle für Schnittgut, das wird gehäckselt und als Biomasse zum Heizen verbraucht und verkauft. Dann gibt es den Nebenerwerb - oder ist mittlerweile die Landwirtschaft der Nebenerwerb?

Eine wichtige Einkommensquelle ist eine Innovation, die vor allem die junge Bäuerin betreibt: Eis vom Bauernhof. Die Maiers machen in einem nach den notwendigen hygienischen Vorschriften eingerichteten Raum Speiseeis aus eigener Milch, teils auch aus eigenen Früchten. Verkauft wird die Schleckerei auf einem Wochenmarkt in Freiburg und in einigen Edeka-Märkten in der Region. Für das Eis reicht aber die Leistung einer einzigen Kuh, also rund 3000 Liter Milch im Jahr.

Einträglicher ist ein weiteres Standbein: "Die drei Ferienwohnungen bringen einen wesentlichen Teil des Einkommens", bekennt Bauer Maier ein wenig widerstrebend. Es sieht so aus, als wäre er doch lieber Vollerwerbslandwirt alter Schule. Schließlich bringen Feriengäste nicht nur Geld auf den Bauernhof, man muss ihnen auch etwas dafür bieten. Dagegen hat Matthias Maier nichts, aber die Städter machen es ihm auch nicht immer einfach. "Wenn Kinder im Stall die Nase zuhalten, weil sie sagen: ,Das stinkt!"', dann muss der staunende Bauer ruhig und geduldig bleiben.

Wegfall der Milchquote bereitet Sorgen

Für kleine und große Feriengäste, die den Kuhstall meiden wollen, gibt es nicht nur die schöne Landschaft um den Hof herum, sie können für ihre Touren in der Umgebung auch ein oder mehrere Lamas mitnehmen. Die langhalsigen Wolltiere hat Maier aus Südtirol, sie und die Hasen und Hühner gehören zum frei zugänglichen Teil des Hofes, die Gänse sind die Alarmanlage, die Hunde laufen frei um Haus und Hof herum und tun auch den Katzen nichts zu Leide.

Doch die Idylle trügt. "Wir können es nur machen, weil alle mithelfen", bekennt Matthias Maier. Mithelfen müssen, wäre korrekt, denn 65 Kühe machen morgens und abends auch mit Melkautomaten große Arbeit. Und wenn die Maiers in die Zukunft schauen, wird ihnen bang. Im Jahr 2015 soll die Milchquote nach dem Willen der Europäischen Union fallen, die Freigabe wird dazu führen, dass die Landwirte mehr Milch produzieren, um über die Menge mehr Geld reinzuholen.

Ein Zyklus, der bei der Schweinemast bereits verheerende Folgen hatte und als "Schweinezyklus" auch in anderen Wirtschaftsbereichen als warnender Lehrsatz gebräuchlich ist. "Die Discounter und andere Großkunden werden die Molkereien unter Druck setzen, der Milchpreis wird fallen und es wird ein Höfesterben geben", sagt Franz Schweizer voraus. Auch er ist Bauer, hat seine GbR-Anteile aber verkauft und arbeitet in einem Freiburger Industriebetrieb.

Keine Hilfe vom Bauernverband

Schweizer, Maier und andere Landwirte wollen den Weg in die Abhängigkeit als Lohnproduzenten nicht widerstandslos hinnehmen. Sie engagieren sich in einem vor einem Jahr neu geschlossenen Bündnis von 40 landwirtschaftlichen und Verbraucherorganisationen. Der Bund deutscher Milchviehhalter (BDM), Bioland, Naturland und Demeter, Greenpeace, Brot für die Welt, Misereor, die Heinrich-Böll-Stiftung, Slow Food und viele mehr gehören dazu.

Das ist insoweit von Bedeutung, dass es nicht um mehr Subventionen geht, sondern um einen grundlegenden Richtungswechsel in der Landwirtschaft im Einklang mit den Verbrauchern. "Mehr Demokratie wagen, auch beim Essen" ist eine Formulierung, die belegt, dass es um mehr als Milch geht. Auch nicht nur um das Essen, sondern auch um die Erhaltung von Kulturlandschaften und eine Lebensart, die nicht industrialisiert werden soll.

Vom großen "offiziellen" Bauernverband fühlen sich die kleinen Bauern schlecht bis gar nicht vertreten, weil dort die Großagrarier aus Nord- und Ostdeutschland den Ton angeben. Darum veranstaltet die noch junge Allianz von Bauern und Verbrauchern Tage der offenen Tür unter dem Motto "Bauer hält Hof". Am 21. Januar 2012 werden Bündnispartner anlässlich der "Grünen Woche" in Berlin für ihre Forderungen demonstrieren. Wird's etwas nützen? "Wir müssen was tun, es bleibt uns gar nichts anderes übrig", sagt Matthias Maier. "Wenn nichts passiert, dann verabschieden sich viele Landwirte still und leise, das darf nicht sein."

Informationen zum Bündnis unter:

www.meine-landwirtschaft.de 

Die Landwirte im Südwesten verdienen im Schnitt weniger

Einkommen Die Bauern im Südwesten haben im vergangenen Wirtschaftsjahr mehr verdient, bleiben aber im Bundesmaßstab wie schon die letzten Jahre Schlusslicht bei der Einkommensentwicklung. Der Landesbauernverband Baden-Württemberg hat für das Wirtschaftsjahr 2010/11 (von Juli bis Juni) ein Einkommen von 22.120 Euro je Familienarbeitskraft (FAK) bekanntgegeben. Die Spitzenreiter in Schleswig-Holstein liegen bei 49.500 Euro, also mehr als doppelt so hoch. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 30.200 Euro.

Struktur In Schleswig-Holstein, Niedersachsen und den neuen Bundesländern sind die landwirtschaftlichen Betriebe aufgrund der geografischen Gegebenheiten wesentlich größer und ertragreicher als die kleinteiligere bäuerliche Landwirtschaft im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb. Die geringeren Ernten des soeben abgelaufenen Jahres werden Experten zufolge die Einkommen im nächsten Jahr erneut schmälern. Die Milchviehhalter haben zwar wieder etwas bessere Preise erzielt, müssen aber - wie die meisten Kleinlandwirte - ihre Einkommen mit Ferienwohnungen, Energieanlagen, Brennereien oder sonstigen Nebengeschäften aufbessern.