Aus Sorge über milliardenschwere Strafen für den Volkswagen-Konzern trennen sich Anleger in Scharen von VW-Aktien. Auf den Autobauer kommen neben millionenschweren Strafzahlungen auch Schadenersatzforderungen zu.

Frankfurt - Die Nachricht über möglicherweise manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen von Volkswagen schlug auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt ein wie eine Bombe. Während sich die Branche gerade auf der weltgrößten Messe selbst feiert, geriet das Image vor allem der deutschen Autobauer kräftig unter Druck. Das Vertrauen sei nachhaltig erschüttert, sagte ein Automanager am Rande der Messe. Während auf einer Podiumsveranstaltung des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) und der IG Metall die Spitzen der Organisationen betonten, dass Deutschland zum „führenden Markt und Anbieter für Elektroautos“ gemacht werden solle, geriet eine vermeintlich etablierte Technik der deutschen Industrie durch die Vorgänge bei Volkswagen unter Generalverdacht. Nun komme die Frage auf, ob die Manipulationen nicht nur in den USA, sondern auch in Europa Praxis gewesen seien, sagte der Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Der VDA hielt in einer Stellungnahme dagegen: „Der Diesel ist für den Klimaschutz weiter sehr wichtig. Daher werden wir am Diesel strategisch weiter festhalten.“

 

Intern forderte VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ein entschiedenes Durchgreifen. „Das muss jetzt mit aller Konsequenz und Offenheit aufgeklärt werden; und wir müssen Konsequenzen daraus ziehen“, sagte er am Rande der Diskussion. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Osterloh, der als einer der mächtigsten Männer bei Volkswagen auch Mitglied des Aufsichtsrats ist, äußerte sich geschockt über die Vorwürfe und forderte: „Wir müssen verloren gegangenes Vertrauen bei unseren Kunden zurückgewinnen.“ Vor allem Konzernchef Martin Winterkorn stehe dabei nun in der Pflicht.

Aktie sackt im Tagesverlauf um bis zu 23 Prozent ab

Die Investoren an den Aktienmärkten fällten ihr Urteil bereits am Montagmorgen. Der Aktienkurs der VW-Aktie sackte um bis zu 23 Prozent auf 125,40 Euro ein. Mit dem größten Kurssturz seit 21 Jahren verlor der Wolfsburger Autokonzern rund 17 Milliarden Euro an Börsenwert. Das ist mehr als die gesamte Marktkapitalisierung des Kosmetikkonzerns Beiersdorf. Erste Analysten sowie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderten einen personellen Neuanfang an der Konzernspitze. Der Vertrag von VW-Chef Martin Winterkorn soll eigentlich auf der Aufsichtsratssitzung am Freitag vorzeitig um zwei Jahre bis Ende 2018 verlängert werden.

Fast eine halbe Million Autos sind betroffen, im schlimmsten Fall drohen Zahlungen von mehr als 18 Milliarden Dollar. Zudem behalten sich deutsche Anlegerschützer vor, den Konzern wegen des Wertverlusts in Milliardenhöhe auf Schadenersatz zu verklagen.

Für den Konzern könnte sich die Affäre damit zu einem ziemlich teuren Albtraum auswachsen. Die VW-Tochter Audi hat das vor Jahren schon einmal erlebt, als sie nach ungeklärten Vorfällen um die Automatik kaum noch Autos in Übersee absetzen konnte. Auch die gesamte deutsche Autoindustrie könnte unter dem Vorfall leiden, denn der außerhalb der Vereinigten Staaten durchaus beliebte Diesel konnte dort bisher kaum Fuß fassen.

Winterkorn verspricht vollständige Aufklärung

Winterkorn verspricht eine umfassende Kooperation mit den US-Behörden. „Der Vorstand der Volkswagen AG nimmt die festgestellten Verstöße sehr ernst. Ich persönlich bedauere zutiefst, dass wir das Vertrauen unserer Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht haben.“ VW habe eine externe Untersuchung beauftragt. „Klar ist: Volkswagen duldet keine Regel- oder Gesetzesverstöße jedweder Art.“

Die Stimmung in Wolfsburg dürfte finster sein, denn für die Kernmarke VW läuft es auf dem US-Markt seit Jahren schlecht. Betriebsratschef Osterloh hatte das Geschäft dort schon vor dem Skandal als Katastrophenveranstaltung bezeichnet. Dabei sollte gerade der Diesel auf dem wichtigen Markt helfen und wurde als saubere Antriebsart beworben. Unter dem Schlagwort „Clean Diesel“ sollte den US-Kunden der als Traktor-Antrieb verpönte Selbstzünder schmackhaft gemacht werden.