Ein neuer OB ist in Albstadt tief verwurzelt, auch weil er seit 41 Jahren im Posaunenchor spielt: Beim ersten Wahlgang stand Klaus Konzelmann gar nicht auf dem Wahlzettel und schnitt trotzdem gut ab. Jetzt hat er haushoch gewonnen.

Albstadt - Irgendwann unterbricht Klaus Konzelmann seinen Redefluss: „Ja, ich freu mich unheimlich“, teilt der neu gewählte Oberbürgermeister von Albstadt in breitem Dialekt mit und strahlt vor Glück. Kariertes Hemd, helle Jeans, Hausschuhe mit Hirschgeweihmuster – so steht Konzelmann in seinem kleinen Arbeitszimmer und berichtet von der Wahlnacht, die für ihn um 4 Uhr früh endete. „Nie hätte ich mit 60 Prozent gerechnet“, eine „ganz enge Kiste“ habe er erwartet. Nun ist ihm ein Erdrutschsieg gegen den Amtsinhaber Jürgen Gneveckow gelungen. „Ein Superstart“, urteilt Konzelmann. Er ist besonders froh darüber, in allen neun Ortsteilen gut abgeschnitten zu haben. Vor dem zweiten Wahlgang hatten wohl nur Gneveckow und einige Vertraute daran geglaubt, zum dritten Mal in Albstadt zu gewinnen.

 

Zu überraschend war der erste Wahlgang ausgegangen. Gneveckow, allgemein als haushoher Favorit eingeschätzt, lag nur ganz knapp vor Konzelmann. Den hatten viele nicht auf der Rechnung, einfach deshalb, weil sein Name nicht auf dem Wahlschein stand. Der 52 Jahre alte Kriminalhauptkommissar hatte sich nicht für die Wahl beworben, sondern auf einen starken Kandidaten „von auswärts“ gesetzt. Der ließ sich nicht finden. „Wir schreiben deinen Namen auf den Schein, dann schauen wir, was geschieht“, hatten Freunde am Stammtisch beschlossen.

Die höhere Wahlbeteiligung hilft dem Amtsinhaber nicht

Am Rosenmontag ließ sich Konzelmann schließlich überzeugen. Er warb auf Wochenmärkten, mit Flyern und im Internet für sich, fand durchaus Gefallen an der Rolle des inoffiziellen OB-Kandidaten. Die Wähler schrieben seinen Namen samt Adresse auf 43 Prozent aller Stimmzettel. Das Wahlrecht lässt dies ausdrücklich zu. Dass dies in einem solchen Ausmaß geschieht wie in Albstadt, ist in Baden-Württemberg freilich noch nie vorgekommen.

Jürgen Gneveckow hoffte vor der entscheidenden Wahl auf eine höhere Wahlbeteiligung, Die stieg zwar von 32 auf knapp 44 Prozent, doch geholfen hat ihm das nicht. Im Gegenteil: nun war Konzelmann offizieller Kandidat und als Alternative somit klar ausgewiesen, 60,2 Prozent stimmten für Konzelmann zu 38,3 für Gneveckow. Jürgen Gneveckow, der in Albstadts meist mit seinem Doktortitel angesprochen wird, gab sich stets höflich und korrekt. Zwar zeigte er sich in der Stadt, aber er ist alles andere als ein Kumpeltyp. Die freie Rede ist auch nicht unbedingt seine Stärke. In seiner Amtszeit gab es einige Aufreger, so zuletzt eine neue Berechnung der Wassergebühren, die viele als ungerecht empfinden. Unmut gab es auch, weil viele meinten, der Stadtteil Ebingen würde hübsch herausgeputzt, während andere Teile der vor 40 Jahren gegründeten Kunstgemeinde Albstadt zu kurz kämen. Touristisch ist Albstadt mit seinen Wanderwegen, den Traufgängen, über die Region hinaus bekannt geworden. Profitieren würden davon nur die Ausflugslokale, sonst es gebe Beeinträchtigungen durch überfüllte Parkplätze ohne Toiletten, klagen einige. Dennoch wurde Jürgen Gneveckow nicht verteufelt in der Stadt mit 45 000 Einwohnern. Ihn fegte eine Wechselstimmung aus dem Amt, die erst entstehen konnte, als Konzelmann sich als Alternative anbot. In ihrer Persönlichkeit könnten der alte und neue Oberbürgermeister kaum konträrer sein.

Ein Mann, der sich unter den Leuten wohl fühlt

Leutselig – so wird der neue Mann im Rathaus gern beschrieben. Er fühlt sich wohl unter Leuten, spielt Gitarre in geselliger Runde und gehört dem Posaunenchor von Truchtelfingen an. „Und zwar seit genau 41 Jahren“, berichtet er freudig, auch sein Bruder und seine Schwester machen dort mit. Das Klavier im Arbeitszimmer dient derzeit als nur Ablage, weil eines der drei erwachsenen Kinder wegen des Studiums nur selten zu Hause ist. Eine weitere Leidenschaft des Vaters ist unschwer auszumachen, blickt man auf die Jagdtrophäen an den Wänden. „Ja ich bin Jäger“, sagt Konzelmann.

Eine lange Einarbeitungszeit in die Kommunalpolitik wird Konzelmann nicht brauchen, schließlich sitzt er seit 21 Jahren für die Freien Wähler im Gemeinderat. Das bedeutet aber auch, dass er sehr viele Entscheidungen in der Stadt mitgetragen hat. „Ja, der Haushalt 2015 steht, da kann man nicht viel machen“, sagt er vorsichtig, zu seinen Zielen befragt. Der entsprechende Aktenordner ist auf seinem Schreibtisch sofort greifbar – immerhin.

Aber diese Wassergebührengeschichte, die will er bald nach seinem Amtsantritt am 1. Juni dieses Jahres angehen. „Ich hab gleich gesagt, Leut’ dass könnt ihr doch nicht machen“, betont er jetzt. Und Interimstoiletten an den Wanderparkplätzen sollen auch bald möglichst aufgestellt werden. Eines ist ihm ganz wichtig: „Leut’, ihr könnt immer zu mir kommen“, sagt er mit voller Überzeugung. Er plant, sich immer wieder mit einem Tisch auf den Wochenmarkt zu stellen und gesprächsbereit zu sein für jedermann.