Der Ludwigsburger Gemeinderat hat oft und ausgiebig getagt. Aber so manches hat man auch 2015 wieder vergeblich gesucht – zum Beispiel die Politik.

Ludwigsburg - Das hat gesessen, das hatte Pfiff: Sie könnten verstehen, dass immer mehr Bürger politikverdrossen seien, sagten die Linken neulich im Ludwigsburger Stadtparlament. Bei den Beschlüssen, die hier getroffen würden, sei es kein Wunder, wenn alle der Politik den Rücken kehrten. Dieser Zwischenruf hatte das Zeug zu einer echten kleinen Nestbeschmutzung. Natürlich waren wir deshalb auch sofort versucht, der Splittergruppe zuzustimmen. Ja, zum Geier, es kann einem schon den letzten Nerv rauben, was hier so alles zusammengeredet wird. Es ist zum Haare raufen. Also, liebe Linke, ihr sprecht uns aus der Seele. Zugabe bitte!

 

Eine entsetzliche Leere

Bei genauerer Betrachtung aber müssen wir davon Abstand nehmen, denn zur Politikverdrossenheit gehört nicht nur Verdrossenheit, sondern auch Politik. Und mit der war es mal wieder nicht weit her im Jahr 2015. Nun haben die Stadträte zwar sehr oft und manchmal ausufernd lang im Ludwigsburger Rathaus beisammen gesessen. Aber war das, was sie da veranstaltet haben, auch schon Politik? Gehören dazu nicht auch ein paar Ideen? Oder wenigstens eine? Ein kurzer Blick in die Gesprächsprotokolle zeigt – eine entsetzliche Leere. Und das in einer Stadt, deren Marketingabteilung behauptet, die Bürger seien allesamt geradezu berauscht von „Lebenslust und Ideenfreude“.

CDU: Ja zur Stadtbahn, aber nicht mit uns! SPD: Ja zum Wohnungsbau, aber ohne uns! Freie Wähler: Wir sind die großen Durchblicker, wenn‘s ums Geld geht! Grüne: Wir sind für mehr Radwege! Lubu: Wir sind für mehr Bäume! FDP: Mehr Lebensqualität wagen! Einzig die Linken scherten da ein bisschen aus, denn sie haben noch einen Traum – sie warten noch immer unverdrossen auf die Weltrevolution. Und bis es so weit ist, sind sie erst mal gegen alles.

Unterm Strich kündet das natürlich von einem bedenklichen Mangel an Ideenfreude. Was manchmal jedoch monatelang gar nicht aufgefallen ist, weil der Oberbürgermeister umso mehr Ideen herausgehauen hat – ganz gleich wie abwegig. Man denke nur an sein H4B4-Tunnel-Trassen-Trauma von Eglosheim, weshalb sich Stadt und Stadträte ein halbes Jahr lang ernsthaft Sorgen um ihn machten. Erst im Herbst bezeichnete er sich selbst als geheilt und warf die Pläne in den Papierkorb. Und dann der Wohlfühlbahnhof, in dem sich zuletzt nicht einmal mehr der Bahnhofsmanager wohlgefühlt hat. Der ist jetzt mal weg.

Ludwigsburger Barock

Der ganze OB-Elan hat nicht ausgereicht, um endlich die Fassade am Marstall-Hochhaus zu erneuern oder mit den Arbeiten für die Untertunnelung der B 27 beim Schloss zu beginnen. Auch in Sachen Schiller-Arsenalplatz ist nichts passiert. Mal wieder. Aber darüber wird ja auch erst seit 1990 diskutiert. Immerhin gab es eine unvergessliche Ausstellung, in der all die Schreckensszenarien gezeigt wurden, auf die man sich einstellen muss, falls auch nur ein Parkplatz dort wegfallen sollte.

Gab es auch Erfolgsmeldungen? Aber klar doch. Nach gefühlt zehnjähriger Debatte hat man 2015 den Lärmaktionsplan verabschiedet. Das ist auch gut so, dann sind wir den endlich los. Auch eine weitere Glanzleistung wollen wir nicht unterschlagen: Ludwigsburg bekommt einen Kreisel! Es hat lange gedauert, aber am Ende konnte sich die Verkehrsbehörde gegen den massiven Protest von ungefähr drei Bürgern und einem Grünen-Stadtrat doch noch durchsetzen. Und nicht zuletzt: der Markenbildungsprozess ist so rasant gestartet, dass vielleicht schon 2025 wissenschaftlich bewiesen sein wird, dass Ludwigsburg eine Barockstadt ist.