Mehrere Städte in Baden-Württemberg kämpfen für die Rückkehr ihr alten Autokennzeichen - für die betroffenen Autofahrer ein emotionales Thema.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Für manche handelt es sich um ein willkommenes neues Instrument fürs Stadtmarketing, für andere um eine Herzensangelegenheit. So wie für Peter Nagel, einen der Verantwortlichen der Initiative pro GD, die seit Langem für die Wiedereinführung des alten Gmünder Kfz-Kennzeichens kämpft. "Das hat was mit emotionaler Bindung an die Heimatstadt zu tun", begründet der Krankenpfleger.

 

Der Vater, heimatverbundener früherer Geschäftsführer eines Verlags, ließ schon vor 30 Jahren Autoaufkleber mit der Aufschrift GD drucken, sie sind bis heute auf Hunderten Fahrzeugen in der Stadt zu sehen. Viele Bürger hätten bei der Kreisreform in den 70er Jahren "das Gefühl gehabt, zu kurz gekommen zu sein", sagt Peter Nagel. Das wirke nach.

Der Gemeinderat von Schwäbisch Gmünd hat im Juli, wie bundesweit inzwischen 130 Städte, mit großer Mehrheit eine hochformale Resolution zur Wiedereinführung des alten Kennzeichens verabschiedet. Der Resolution war im November 2010 die "Gmünder Erklärung" vorangegangen.

Leben die alten Autokennzeichen wieder auf?

Das Begehren könnte schon im nächsten Jahr erhört werden. Laut dem Wissenschaftler Ralf Bochert von der Hochschule Heilbronn befasst sich derzeit eine Unterarbeitsgruppe des Bund-Länder-Fachausschusses "Fahrzeugzulassung" mit entsprechenden Änderungen der Fahrzeugzulassungsverordnung.

Die Verkehrsministerkonferenz muss den Änderungen anschließend zustimmen, am Ende der Bundesrat. Für Bochert sind das nur noch Formsachen. Von 2012 an, glaubt er, leben die alten Autokennzeichen dort wieder auf, wo es gewünscht wird.

Eine Heilbronner Studie, in deren Rahmen 25.000 Menschen in 111 Städten zum Thema Autokennzeichen interviewt wurden, hat den bundesweiten Schub verstärkt.

Die Wunschkennzeichen gibt es nur gegen Gebühr

Bochert und seine Gruppe sind sicher, dass die Liberalisierung der Kennzeichenvergabe kostenneutral zu haben ist. "Das ist ein Miniaufwand", sagt der Heilbronner. Es gehe für die Behörden lediglich um eine überschaubare EDV-Datenerweiterung. Die Verwaltung unterschiedlicher Kreiskennzeichen gehört ohnehin zu den Aufgaben jeder Zulassungsstelle, etwa im Fall von zugezogenen Autohaltern,die ihr altes Kennzeichen behalten wollen.

Die neuen alten Kennzeichen sollen innerhalb Baden-Württembergs außerdem im sogenannten Bürgerwahlmodell vergeben werden. Wer in Gmünd beispielsweise die Buchstaben GD auf dem Autoschild wünscht, muss ein entsprechendes Wunschkennzeichen beantragen - und dafür eine Gebühr bezahlen.

Sicherheitsbedenken hat Bochert nicht. Es sei schon so, dass beispielsweise in Nürtingen zukünftig in einer Wohnstraße sowohl Autos mit dem Esslinger Kennzeichen ES und andere mit NT stünden.

Handelt es sich nur um ein überschätztes Randthema?

Hauptsache aber sei, "dass man weiß, aus welchem Kreis ein Fahrzeug kommt". Das sei auch künftig gewährleistet. Polizeikräfte dürften ebenfalls kein Problem mit elektronischen Kennzeichenabfragen, der Zustellung von Bußgeldbescheiden oder sonstigen Formen der Strafverfolgung haben. "Das System ist ohnehin durch Firmen- und Leihfahrzeuge durchmischt", sagt der Wissenschaftler.

Ungeachtet noch ausstehender Beschlüsse hat am Dienstag das Verkehrsministerium Hessens seinen Handlungswillen gezeigt. In einem Ministeriumsschreiben an die Stadt Wetzlar steht, es sei "entschieden worden, dem Wunsch der Bürger, wieder das Unterscheidungskennzeichen ,WZ' zu erhalten, zu entsprechen". 80 Prozent der Wetzlarer hatten sich der Heilbronner Studie zufolge im April 2010 für das alte Kennzeichen ausgesprochen.

Für manchen, der sich für Autoschilder nicht interessiert und Heimatzugehörigkeit an anderen Symbolen oder Handlungen misst, handelt es sich um ein überschätztes Randthema. Das hat auch der Gmünder Initiator Peter Nagel schon öfter zu hören bekommen.

"Der Hunger in Afrika zum Beispiel ist natürlich wichtiger", sagt er. "Aber da das alles nichts kostet, kann man es auch machen." Ihm und seinen Mitkämpfern gehe es tatsächlich nur um ein Bekenntnis zu ihrer Stadt. Auf keinen Fall wolle er beispielsweise "in den Verdacht geraten, die Kreisreform rückgängig machen zu wollen".

Die Idee mit den Kennzeichen macht Schule

Beispiele Nicht nur das Bundesland Hessen bewegt sich , wie das Beispiel Wetzlar aus dieser Woche zeigt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat beispielsweise bereits die Kennzeichen RÜG (Rügen) und HST (Hansestadt Stralsund) zugelassen.

Länderkompetenzen Auch das Bundesverkehrsministerium hat sich für Änderungen grundsätzlich offen gezeigt. Es verweist jedoch darauf, dass die Organisation der Kennzeichenvergabe Ländersache sei. Auch aus Thüringen und Bayern kommen positive Signale.

Wissenschaft Die Ergebnisse der Studie der Hochschule Heilbronn sind unter www.hs-heilbronn.de/kennzeichenliberalisierung veröffentlicht. Studienleiter Ralf Bochert lehrt in Heilbronn Destinationsmanagement und Volkswirtschaftslehre.