Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Zitate: Kohl äußert sich in einem Interview mit der wissenschaftlichen Zeitschrift "Internationale Politik". Die Kernsätze seiner Abrechnung mit der aktuellen Außenpolitik:

 

"Die enormen Veränderungen in der Welt können keine Entschuldigung dafür sein, wenn man keinen Standpunkt oder keine Idee hat, wo man hingehört und wo man hinwill."

"Ich frage mich schon, wo Deutschland heute eigentlich steht und wo es hinwill."

"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Wir müssen dringend zu alter Verlässlichkeit zurückkehren."

"Wahr ist, dass die Welt bis 1989/90 überschaubarer war. Aber daraus den Schluss zu ziehen... (damals) sei alles einfacher gewesen, ... das offenbart doch vor allem ein erschreckendes Maß an Mutlosigkeit gegenüber den heutigen Herausforderungen sowie einen eklatanten Mangel an historischem Wissen."

Die Kanzlerin selbst reagiert scheinbar unaufgeregt - höflich in der Wortwahl, harsch im Tenor. "Die Verdienste Helmut Kohls als Kanzler der deutschen Einheit und der europäischen Einigung sind nicht hoch genug einzuschätzen", sagt Merkel. Allerdings habe jede Zeit ihre "spezifischen Herausforderungen".

Diesen scheint sie nach Meinung ihres politischen Ziehvaters nicht zu genügen. Kohls Tadel bestärkt das Unbehagen vieler Unionisten. Merkels Eurorettungspolitik wurde in der eigenen Partei als erratisch und wenig konsequent wahrgenommen. Die deutsche Sonderrolle in der Libyenkrise stieß auf Unverständnis. Merkel wird angelastet, die enge Bindung an die USA und die deutsch-französische Freundschaft zu vernachlässigen und in Europa nicht immer eine dem Gewicht Deutschlands angemessene Führungsstärke erkennen zu lassen.

 Kohl steh mit seiner Meinung nicht alleine

In Regierungskreisen ist von einer "Verlagerung der globalen Perspektiven" die Rede - die internationalen Verhältnisse hätten sich gewaltig verändert, seit Kohl das Kanzleramt räumen musste. Es sei gut, dass die heute Verantwortlichen "ein bisschen anders auf die Welt blicken als mit einer allzu eurozentristischen Sicht", sagt ein Mitarbeiter der Kanzlerin. Merkel selbst liest aus Kohls Strafpredigt den Ratschlag heraus, man müsse komplexe außenpolitische Entscheidungen wohl "besser in Zusammenhängen erklären", so berichten CDU-Parlamentarier aus Baden-Württemberg, die am Donnerstag im Kanzleramt empfangen wurden.

Der Kritik des Altkanzlers wäre wohl ein geringeres Echo beschieden, wenn den regierenden Christdemokraten nicht ohnehin die Ohren klingeln würden wegen vielstimmiger Störgeräusche. Kohl reiht sich ein in den Kanon der grauen CDU-Eminenzen, denen Merkels Kurs nicht mehr behagt: Baden-Württembergs früherer Ministerpräsident Erwin Teufel hatte das Klagelied angestimmt. Die CDU habe ihr Profil bis zur Unkenntlichkeit modernisiert, sie verprelle Stammwähler, verspiele ihre Identität, so lautete sein Lamento.

Andere Altvordere schlugen ähnlich missfällige Töne an. Kohl, der in der CDU von etlichen wie ein lebendes Denkmal verehrt wird, findet dabei besonderes Gehör. Der Kanzlerin bleibt im Moment kein Ärger erspart.

Helmut Kohls Kritik an seiner Nachfolgerin

Zitate: Kohl äußert sich in einem Interview mit der wissenschaftlichen Zeitschrift "Internationale Politik". Die Kernsätze seiner Abrechnung mit der aktuellen Außenpolitik:

"Die enormen Veränderungen in der Welt können keine Entschuldigung dafür sein, wenn man keinen Standpunkt oder keine Idee hat, wo man hingehört und wo man hinwill."

"Ich frage mich schon, wo Deutschland heute eigentlich steht und wo es hinwill."

"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Wir müssen dringend zu alter Verlässlichkeit zurückkehren."

"Wahr ist, dass die Welt bis 1989/90 überschaubarer war. Aber daraus den Schluss zu ziehen... (damals) sei alles einfacher gewesen, ... das offenbart doch vor allem ein erschreckendes Maß an Mutlosigkeit gegenüber den heutigen Herausforderungen sowie einen eklatanten Mangel an historischem Wissen."