Das Thema Stadt und Trauma ist in den vergangenen Jahren von Architekten, Historikern, Psychologen, Anthropologen, Soziologen, Literaturwissenschaftlern beleuchtet worden. Sie haben Berlin, Hiroshima oder New York untersucht und die vielfältigen Spuren der Traumata im sozialen Gefüge und in den Stadtplanungen registriert. Auch der Amoklauf von Winnenden hat begonnen, sich in die Stadt einzuschreiben - ablesbar ist er etwa im sozialen Umgang.

Es muss etwa ein Vierteljahr nach dem Elften gewesen sein, als sich die Schockstarre allmählich löste und die Emotionen hervorbrachen. Im Rückblick erscheint diese Zeit als eine hellwache, schreckhafte, labile Phase. Die Menschen in Winnenden waren der eigenen Erschütterbarkeit gewahr geworden und realisierten zugleich, dass sie Verantwortung tragen für die Traumatisierten unter ihnen. Das Verhalten jedes Einzelnen konnte die Trauerarbeit der Hinterbliebenen unterstützen oder erschweren.

Nach den Toten kamen die Reporter


In diese Situation hinein fiel eine lang geplante Ausstellung von Markus Hallstein im Herbst 2009 im Rathaus. Auch Hallstein ist Kunstlehrer und unterrichtet am Lessing-Gymnasium, vis-à-vis der Alberville-Realschule. Er war am Elften in der Schule und konnte in den Wochen danach sehen, wie das Meer aus Kerzen und Blumen täglich größer wurde. Und er konnte auch die dreisten Reporter beobachten, die sich nicht scherten um die Gefühle der Kinder. Wieder waren diese hilflos ausgeliefert - dieses Mal der Sensationsgier. "Wir haben uns regelrecht in der Schule verbarrikadiert", erinnert er sich. Diese Eindrücke hat der Künstler in einem Gemälde verarbeitet.

Kaum hatte er das Bild aufgehängt, löste es heftige Entrüstung aus. Winnendens damaliger Oberbürgermeister Bernhard Fritz ließ es sofort abhängen. Der Künstler protestierte. Ein Psychologe wurde nach seiner Meinung gefragt. Er warnte, das Bild könne Betroffene retraumatisieren. Man einigte sich, es separat im Trauzimmer auszustellen, so würde niemand ungewollt damit konfrontiert.