Am zweiten Jahrestag des Amoklaufs haben sich rund 500 Menschen auf dem Marktplatz zum Gedenken an die 15 Ermordeten versammelt.  

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Still ist es auf dem Marktplatz in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) geworden. Als die Kirchenglocken um 9.33Uhr zu läuten beginnen, spricht niemand mehr. Nur das Weinen eines Kleinkindes ist zu hören. Um den Marktbrunnen herum stehen mehrere Hundert Menschen, vor wenigen Augenblicken haben noch viele leise miteinander gesprochen. Jetzt sind alle verstummt. Vor genau zwei Jahren, am 11.März um 9.33 Uhr, hat ein 17-Jähriger an der Albertville-Realschule begonnen, auf seine früheren Mitschüler zu schießen. Acht Mädchen und einen Jungen sowie drei Lehrerinnen ermordete der Amokläufer, bevor er von der Polizei vertrieben wurde. Im Schlosspark neben der Schule begegnete er einem Gärtner, den er ebenfalls mit mehreren Schüssen tötete.

 

Unter den Menschen, die sich auf dem Marktplatz versammelt haben, ist Frank Ziegler, der Bürgermeister von Wendlingen im Landkreis Esslingen. Dort erschoss der 17-Jährige später zwei Männer in einem Autohaus, einen Kunden und einen Angestellten, die wie die anderen Opfer dem Täter keinerlei Anlass gegeben hatten, ihnen etwas anzutun. Von der Polizei angeschossen, richtete der Täter wenig später auf einem Parkplatz in Wendlingen seine großkalibrige Pistole gegen sich selbst und nahm sich das Leben.

Umstehende schluzen

"Wir gedenken der Opfer und fühlen mit den Angehörigen", sagt der Winnender Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth, nachdem die Glocken verklungen sind. Während er die Namen der 15 Ermordeten verliest, beginnen manche der Umstehenden leise zu schluchzen. In vielen Augen sind Tränen zu sehen. "Es bleibt von euch Liebe und Erinnerung", steht auf einem Kranz, den das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden am Marktbrunnen abgelegt hat. Auf dessen Rand stehen 15 weiße Rosen. Auf ein stilles Gedenken hat die Stadt ausdrücklich Wert gelegt, Politprominenz haben die Organisatoren nicht eingeladen. Der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl ist trotzdem nach Winnenden gekommen. Mit einem gemeinsamen Vaterunser endet die Gedenkfeier.

Der räumliche Abstand der offiziellen Gedenkfeier zur Albertville-Realschule ist bewusst gewählt worden. Dort ist während des gesamten Tages für die Angehörigen ein Rückzugsraum geöffnet. Seelsorger und Psychologen sind vor Ort. Sven Kubick, der Schulleiter, ist sowohl während der Gedenkveranstaltung als auch beim anschließenden ökumenischen Gottesdienst in der Schlosskirche anwesend. Mit der Osterkerze entzündet er 15 Kerzen, die von Angehörigen der Opfer auf den Altar gestellt werden. Sie sind aus dem Wachs jener Kerzen gemacht worden, die nach dem Amoklauf vor der Albertville-Realschule abgestellt worden waren.

Jugendliche in der Entwicklung stärken

"Wir sind noch nicht in der Lage, eine 16. Kerze dazuzustellen. Hier sind wir noch immer auf dem Weg", sagt der Pfarrer der Schlosskirche, Winfried Maier-Revoredo, der jedoch auf die Familie des Täters verweist, die unter dem Amoklauf ebenfalls schrecklich leide.

Auch bei einer Tagung der CDU-Innenminister in Stuttgart gedenken die Teilnehmer der 15 Menschen, die "bei dem furchtbaren Amoklauf von Winnenden" ihr Leben verloren haben. "Unser Mitgefühl bleibt, denn das Entsetzliche, was ein Einzeltäter angerichtet hat, muss uns alle angehen", sagt der Innenminister des Landes, Heribert Rech. Die Frage nach dem Warum bleibe ohne Antwort. "Wir sollten uns jeden Tag bemühen, dass keiner ins Abseits gerät." Man müsse jungen Leuten zuhören und sie in ihrer Entwicklung stärken.