Gastronomie und Ämter – ein schwieriges Feld. Zuletzt zeigte sich das im Fall der Conditorei. Nach dem Umzug von der City nach Heslach musste der Betreiber vier Wochen auf das grüne Licht des Baurechtsamtes warten. Eine Existenz bedrohende Lage.

Stuttgart - Kommunikation ist alles. Sie verbindet Menschen. Daher hat Joachim Müsken, Inhaber der Conditorei, das gastronomisches Konzept seines Lokals auf zwei große K gestellt: Kommunikation und Kultur. Die Verbindungslinie ist dabei die Bar. „Sie war und ist der Ort von Kommunikation“, sagt Müskens, „wir wollen alle Wege für Kommunikation suchen und bieten.“ Durch Live-Konzerte, Lesungen, Ausstellung und Tango-Argentino-Veranstaltungen.

 

Doch was an einer langen Theke klappt, muss noch lange nicht im Leben funktionieren. Müskens hat die Rechnung ohne den Wirt – in diesem Fall ohne das städtische Baurechtsamt gemacht. Die Kommunikation zwischen Amt und Barbetreiber lief so, dass Joachim Müsken kurz vor der Geschäftsaufgabe stand. „Hätte ich kein zweites Standbein als Ingenieur, hätte es eng werden können“, sagt er.

Wirt mahnt mangelnde Kompromissfähigkeit an

Zur Vorgeschichte: Am 22. März endete die elfjährige Ära der Conditorei in der Firnhaberstraße, an Peripherie zur Partymeile an der Theodor-Heuss-Straße. Ende April sollte es weitergehen – im neuen Domizil in der Böblinger Straße 86 am Erwin-Schöttle-Platz. In den Räumen am Mehrgenerationenhaus in Heslach, wo früher eine Eisdiele und ein Bäcker war, sollte die Conditorei neu aufleben. Mit Außengastronomie, Bistro und dem altbewährten Club-Konzept. Doch das Baurechtsamt versagte Joachim Müsken die Konzession. Die Folge: Die Eröffnung fand erst vergangenen Mittwoch statt – mit vierwöchiger Verspätung.

„Trotz der ungemein förderlichen Haltung der Stuttgarter Behörden, insbesondere des Baurechtsamtes, werden wir am 23. Mai eröffnen“, schrieb Müsken seinen Stammgästen in einer Rundmail. Der süffisante Ton hat einen Grund: Müsken war stocksauer. „Das Baurechtsamt ist völlig unflexibel und nicht zu Kompromissen bereit“, klagt er, „die hätten zwar Ermessensspielraum, aber nutzen ihn nicht.“

Tango-Jam verkörpert das Konzept der Bar in Heslach perfekt

Worum ging es? Ganz einfach: um den Schallschutz, der Anwohner vor Lärm bewahrt. Müskens Version der Geschichte klingt so: „Das Baurechtsamt hat nicht auf den Lärmschutz der Anwohner gepocht, sondern nur auf den in der Etage über mir.“ Auch das klingt nicht unvernünftig. Der Schutz der unmittelbaren Nachbarn ist wichtig. „Aber über mir ist nach 21 Uhr kein Mensch mehr“, sagt der Gastronom. Weder in der Arzt- oder Physiotherapeuten-Praxis noch in den Büros des Betriebsrates von „Leben und Wohnen" werde um diese Uhrzeit noch gearbeitet. Das habe sich der Wirt von den Mietern auch schriftlich geben lassen. Ohne Erfolg. Das Baurechtsamt sei hart geblieben: „Sie meinten, die Mietersituation könne sich ja irgendwann einmal wieder ändern.“

Joachim Müsken blieb nichts anderes übrig, als auf seine Kosten Schallmessungen machen zu lassen. Das Ergebnis zeigte angeblich, dass der ganze Streit unnötig war. „Wir haben die Werte eingehalten“, sagt er und ergänzt: „Zusätzlich haben wir in die Musikanlage noch einen Schalldruckbegrenzer installiert.“ Damit sei auch das Baurechtsamt zufrieden gestellt gewesen.

In der Szene herrscht dennoch ein gewisses Unverständnis über die Praxis der städtischen Ämter. Zuletzt wurde dies bei der Affäre um das Lokal Netzer thematisiert. Das frühere Café Heller an der Herzogstraße hatte kaum geöffnet, da musste das Netzer schon wieder schließen. Die Betreiber machten ihrem Unmut zunächst über soziale Medien Luft. Am Ende sprach man von einem „Missverständnis“, das sich im Rathaus bei der Genehmigung des Umbaus ergeben habe. Die Wirte hatten noch keine Konzession für Alkohol, als sie die Eröffnung feierten. Die Formulare und Pläne, die fehlten, konnten in letzter Minute nachgereicht werden.

Ob die Stuttgarter Ämter die Gastronomie besonders scharf beäugen? Die Frage ist gestellt. Zu einer Antwort darauf konnte die Pressestelle der Stadt Stuttgart das Baurechtsamt jedoch nicht bewegen. Es bleibt also offen. Ebenso wie die Frage, ob im Fall der Conditorei eine andere Herangehensweise möglich gewesen wäre – ohne Recht und Gesetz zu verletzen. Waren die Auflagen zum Lärmschutz nur Schall und Rauch?

All diese Fragen kümmern Laura Gamron jetzt nicht mehr. Das grüne Licht zur Wiedereröffnung am vergangenen Mittwoch freute sie besonders. Denn ihre Tango-Jam konnte somit stattfinden. Die argentinische Sängerin hatte in der Conditorei seit einiger Zeit ihre Tango-Jam-Session etabliert. Die Idee dahinter: Einmal im Monat kann jeder kann kommen, zuhören, mitsingen oder selbst tanzen. Wenn man so will, wird so die Grundidee von Müsken lebendig. „Tango ist pure Kommunikation. Sei es zwischen den Tänzern auf nonverbale Weise oder zwischen Tänzern und Zuschauern“, sagt Laura Gamron. Von den Liedern ihrer Heimat ganz zu schweigen. Wenn die Sängerin das Lied „Mi Buenos Aires Querido“ von Carlos Gardel interpretiert, gerät der Gastronom Joachim Müsken ins Schwärmen: „Laura ist das Zentrum. Ihre Jam ist was, das jeden betreffen kann. Es passt zu unserem Konzept.“