Eigentlich wollte ein Paar frühmorgens nur frische Luft schnappen. Ein 21-Jähriger griff die beiden an, verletzte den Mann mit einem Messer und stellte ihnen nach.

Böblingen - Gekrümmt und mit fahlem Gesicht sitzt der 21-Jährige auf der Anklagebank. Mehrmals bittet er seine Opfer um Entschuldigung. Anfang Januar hatte er frühmorgens zwei Spaziergänger am Waldrand von Sindelfingen angegriffen und einen 53-Jährigen mit einem Messer verletzt. Über den Grund der Attacke machte der 21-Jährige keine Angaben. Wie sich herausstellte, hatte er zur Tatzeit wohl 2,7 Promille Alkohol im Blut. Das Amtsgericht Böblingen verhängte am Donnerstag eine Freiheitsstrafe zur Bewährung.

 

Angreifer verfolgt Spaziergänger fast einen Kilometer

„Wir konnten nicht schlafen und wollten einen Spaziergang machen“, sagte vor Gericht die 39 Jahre alte Lebensgefährtin des Opfers. Ihr Freund, ein Esslinger Maurermeister, musste ohnehin wieder früh zur Arbeit. Die beiden brachen um 4.50 Uhr ins Eichholzer Täle auf. Dort hörten sie schon von weitem ein paar Schreie – wie sich herausstellte, hatte sie der 21-Jährige junge Mann ausgestoßen, der ihnen in der Dunkelheit entgegenkam. Dieser rempelte den 53-Jährigen an und forderte ihn auf, stehenzubleiben. Es sei zu einem Gerangel gekommen, berichtete das Opfer während der Verhandlung. „Ich habe einen Schlag auf den Kopf erhalten, und wir beide sind zu Boden gegangen“, sagte der 53-Jährige.

Um einer weiteren Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, suchten die beiden Spaziergänger das Weite. Doch der 21-Jährige folgte ihnen fast einen Kilometer lang, es gelang ihnen nicht, den Angreifer abzuschütteln, obwohl sie immer schneller gingen. „Ich steche Euch ab und mache Euch zur Sau“, rief der 21-Jährige ihnen nach. Die Freundin des 53-Jährigen bemerkte erst dann, dass ihr Partner blutete. Der Verletzte rief eine Polizeistreife, die umgehend vor Ort war.

Sechs Zentimeter lange Schnittwunde unter dem Auge

In einer Klinik musste eine sechs Zentimeter lange Wunde über dem linken Auge des Opfers genäht werden. Außerdem stellte der 53-Jährige fest, dass seine Jacke einen etwa drei Zentimeter langen Schlitz aufwies. Auf dem Kopf hatte er eine Riesenbeule, die ihm der 21-Jährige ebenfalls zugefügt hatte. „Ich kann mich an nichts mehr erinnern“, erklärte der Angeklagte. Er sei auf dem Nachhauseweg gewesen und habe sich zuvor mit einem Freund und einer Freundin in Hinterweil getroffen. Dort hätten sie ziemlich viel Bier und Caipirinha „oder so etwas“ getrunken.

Die Polizei nahm den 21-Jährigen nach dem Angriff mit zum Revier. In der Ausnüchterungszelle habe er aber nicht schlafen können, so der Angeklagte. Dort warf er einer Polizistin und ihren Kollegen Schimpfworte an den Kopf. Wie eine Blutprobe fast sechs Stunden nach der Messerattacke ergab, hatte der junge Mann noch 1,8 Promille im Blut. Der 21-Jährige räumte ein, dass er vor drei Jahren angefangen habe, Bier und Wodka in reichlichen Mengen zu konsumieren. Außerdem habe er früher Cannabis geraucht.

21-Jähriger ist auf Arbeitssuche

Die Polizei kenne den 21-Jährigen schon seit einiger Zeit, sagte ein 54-jähriger Beamte vor Gericht aus. Der Angeklagte gehöre in Hinterweil der Drogenszene an. Besonders beliebt sei bei den jungen Leuten die Droge Spice, die hin und wieder sichergestellt werden könne. Möglicherweise hätten an jenem Morgen Drogen und der Alkohol zusammengewirkt, sodass der 21-Jährige so aggressiv geworden sei.

Der Angeklagte ist bisher wegen Diebstahldelikte zu Geldstrafen verurteilt worden. Er wohnt bei seiner Mutter, die von seinem Vater getrennt lebt. Nach dem Hauptschulabschluss hat er ein Berufseinstiegsjahr absolviert, das Kaufmännische Berufschulzentrum besucht und ist zurzeit auf Arbeitssuche. „Ihre Aussichten sind nicht rosig“, meinte der Vorsitzende Richter, „Sie müssen ihr Drogen- und Alkoholproblem in den Griff bekommen."

Der Angeklagte muss zur Therapie

Das Böblinger Schöffengericht ließ dennoch Milde walten – unter der Voraussetzung, dass der Angeklagte so etwas nie wieder tut. „Sonst müssen Sie mit einer Inhaftierung rechnen“, drohte der Richter Werner Kömpf. Wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und weil er die Polizeibeamten beleidigt hat, erhielt er eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem muss er 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Darüber hinaus erhält der junge Mann einen Bewährungshelfer und muss seine Drogen- und Alkoholprobleme weiterhin im Sindelfinger Suchthilfezentrum behandeln lassen, wo er schon betreut wird.