Ein 50-jähriger Polizist vom Revier in Fellbach soll der Staatsanwaltschaft Stuttgart mehrere Akten von Fällen, die er bearbeitet hat, vorenthalten haben. Das hat er in einem Prozess vor dem Waiblinger Amtsgericht bereits eingeräumt. Warum er das tat, ist allerdings noch völlig unklar.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Ein Prozess, der zurzeit vor dem Waiblinger Amtsgericht verhandelt wird, gibt vor allem in Bezug auf das Motiv des Angeklagten Rätsel auf: In mindestens fünf Fällen soll ein 50-jähriger Polizeioberkommissar Akten, die eigentlich für die Staatsanwaltschaft Stuttgart zur Prüfung einer Strafverfolgung bestimmt gewesen wären, wissentlich nicht weitergereicht haben. Strafvereitelung im Amt wirft ihm deshalb die Ermittlungsbehörde vor. Der Mann räumt zumindest drei dieser Vorwürfe ein, an zwei Sachverhalte kann er sich nicht erinnern.

 

Motiv völlig unklar

Warum er so handelte, bleibt bislang völlig im Dunkeln. Weder ist ein persönlicher Vorteil zu erkennen noch die Begünstigung etwa eines Bekannten. So geht es beispielsweise um eine Unfallflucht, die nicht weiterverfolgt wurde, nachdem sich das Unfallopfer und der Verursacher offenkundig gütlich geeinigt hatten, oder um gegenseitige Körperverletzungen eines Paares, das offenbar nicht zum ersten Mal im Fellbacher Polizeirevier auffällig geworden war. Oder um eine nachträglich in Fellbach angezeigte Verkehrsunfallangelegenheit, die zuständigerweise problemlos hätte nach Stuttgart verwiesen werden können, weil sie sich dort ereignet hatte.

Besonders dubios ist ein Fall, der sich im April vor zwei Jahren ereignet hat. Der Angeklagte soll als Notrufsachbearbeiter im Rahmen einer Großfahndung nach einem Raubüberfall in Birkmannsweiler einen offenkundigen telefonischen Hinweis einer Anwohnerin auf einen der Täter nicht ernst genommen und seinen Kollegen die Information gänzlich unterschlagen haben.

Zahlreiche Akten im Spind

Aufgeflogen sind die Versäumnisse in den anderen Ermittlungsfällen, die bereits sechs und sieben Jahre zurückliegen, erst vor zwei Jahren, als ein Kollege damit beauftragt wurde, den Spind des Angeklagten auszuräumen. Dieser war nach zehn Jahren im Fellbacher Revier in das Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums Aalen versetzt worden. In dem gemeinsam genutzten Schrank befand sich unter anderem ein großer Stapel Unterlagen, die Staatsanwaltschaft spricht von mehr als 1000 Aktenbestandteilen.

Er habe ein persönliches loses Archiv mit Duplikaten abgelegter Fälle geführt, um bei Rückfragen schneller darauf zurückgreifen zu können, sagt der Angeklagte. Das sei nicht ungewöhnlich. Auch der mit der Entsorgung beauftragte Kollege hatte sich wohl zunächst keine größeren Gedanken darüber gemacht. Als er beim Vernichten der Akten allerdings auch auf Originalunterlagen der Spurensicherung stieß, hielt er inne und meldete den Sachverhalt an seine Vorgesetzten.

Sein Mandat habe nichts Unrechtes vertuschen wollen, betonte der Rechtsanwalt des Angeklagten, ansonsten hätte er ja zuvor Gelegenheit genug gehabt, die Akten still und heimlich selbst zu vernichten. Dass er nicht ordnungsgemäß gehandelt habe, sei ihm mittlerweile schon klar. Soweit er sich an die Vorgänge erinnern könne, räume er sie auch ein. Persönliche Vorteile habe er davon nicht gehabt.

Das Vorgehen des Fellbacher Sachbearbeiters ist in der Vergangenheit indes offenbar kein Einzelfall gewesen. Wie ein in den Zeugenstand einberufener Beamter der Waiblinger Kriminalpolizei einräumte, sei eine entsprechende EDV-gestützte Prüfungssicherung durch einen Vorgesetzten erst im Jahr 2010 eingeführt worden. In der Zeit zuvor sei es jedem Sachbearbeiter möglich gewesen, einen Fall, auch eine Straftat, als Bagatelle ad acta zu legen. Einige Kollegen hätten die Möglichkeit wohl in Einzelfällen genutzt, um es sich bequem zu machen.

Ob das auch das Motiv des aktuell Angeklagten ist, bleibt abzuwarten. Der Prozess ist zur besseren Klärung um einen weiteren Verhandlungstag verlängert worden.