Der britische Konkurrent ist schon unterwegs, als der Norweger Roald Amundsen vor 100 Jahren den Wettlauf zum Südpol eröffnet.

Stuttgart - Ein Kanarienvogel, ein Grammofon, 97 grönländische Schlittenhunde, eine zerlegbare Hütte und Proviant für zwei Jahre - mit reichlich Ausrüstung an Bord verließ das Schiff Fram am 9. August 1910 den Hafen der norwegischen Stadt Kristiansand. Die 18-köpfige Besatzung hatte sich auf eine Arktisexpedition unter Leitung des norwegischen Polarforschers Roald Amundsen eingerichtet. Doch alles sollte ganz anders kommen. Noch ahnte an diesem Tag vor 100 Jahren fast niemand an Bord, dass gerade der Startschuss zu einem dramatischen Wettlauf ans andere Ende der Welt gefallen war.

Tatsächlich hatte Amundsen ursprünglich vorgehabt, als Eroberer des Nordpols in die Geschichte einzugehen. Mitten in die Vorbereitungen war dann aber im September 1909 die Nachricht geplatzt, dass die Amerikaner Robert Peary und Frederick Cook dieses Ziel bereits erreicht hätten. Später kamen daran zwar Zweifel auf, vorerst aber hatte der Nordpol doch stark an Reiz verloren. Also disponierte Amundsen um und nahm den Südpol ins Visier. Dorthin war zwar schon der Brite Robert Falcon Scott unterwegs. Doch den glaubte der Norweger noch überholen zu können.

In diese Planänderung hatte er zunächst nur seinen Bruder Leon und seine engsten Mitarbeiter eingeweiht. Die Mannschaft erfuhr erst Anfang September 1910 auf der Höhe von Madeira von ihrem neuen Ziel. "Die meisten standen mit offenem Mund da und starrten den Chief an wie eine Reihe von Fragezeichen", erinnerte sich einer der Offiziere später. Doch niemand ging von Bord. Amundsen telegrafierte an Scott, sein Bruder informierte am 2. Oktober die Presse. Das Rennen war eröffnet.

Erst einmal mussten beide Teams überwintern


Am 11. Januar 1911 ging die Fram in der Walbucht am Ross-Schelfeis vor Anker. Dort schlug Amundsen sein Basislager auf und war damit schon einmal 100 Kilometer näher am Pol als sein Rivale, der seine Station im McMurdo-Sund errichtet hatte. Dafür lag vor Amundsen nun ein völlig unbekanntes Gebiet, während Scott eine bereits teilweise vom britischen Polarforscher Ernest Shackleton erforschte Route nutzen konnte. Erst einmal aber mussten beide Teams überwintern. Um dem Lagerkoller während der endlosen Polarnacht vorzubeugen, bekam jeder der Männer spezielle Aufgaben von wissenschaftlichen Beobachtungen bis zum Putzen der Hütte zugeteilt. Trotzdem schien sich die Zeit dahin zu schleppen, die Spannung zerrte an den Nerven.

Am 24. August 1911 stieg endlich die Sonne wieder über den Horizont. Doch es sollten noch zwei weitere Monate vergehen, bis es warm genug für eine Reise zum Pol war. Am 20. Oktober brach Amundsen mit vier Begleitern, mehr als 50 Hunden und vier Schlitten auf. Wenige Tage später waren auch Scotts Männer unterwegs. Die Briten hatten außer Hunden auch Motorschlitten und sibirische Ponys dabei, die sich allerdings beide nicht bewährten. So gaben die Motorschlitten nach kurzer Zeit den Geist auf und die Fahrer mussten ihre mehr als 300 Kilogramm Gepäck knapp 250 Kilometer weit schleppen.