Es geht um alles. Das Publikum kann den Bildern aus den Arenen nicht trauen, weil es weder weiß, ob die Medaillen an saubere Athleten korrekt vergeben wurden, noch ob die Dopingkontrollen und Analysen vorschriftsmäßig abgelaufen sind. Im Reich des IOC und der inzwischen 40 olympischen Weltverbände kann man alles kaufen, alles fälschen und alles organisieren, das ist belegt: Dopingproben, Wahlen, Mitgliedschaften, Regeln, Kongresse.

 

War das IOC bis vor einigen Tagen nur in Alarmbereitschaft versetzt, so geht seit der Verhaftung des irischen Exekutivmitglieds Patrick Hickey am Mittwoch im Luxushotel Windsor Marapendi sogar die pure Angst um. Es war ein bislang einmaliger Vorgang. IOC-Mitglieder galten, zumal während der Spiele in den Gastgeberländern, stets als sakrosankt. IOC-Mitglieder standen quasi über dem Recht, das für normaler Erden- und Staatsbürger gilt. Nun hat es Pat Hickey erwischt, und das ist auch deshalb ein Symbol, weil Hickey zu Bachs wichtigsten Verbündeten zählt. Hickey wird von der brasilianischen Justiz die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Nach der spektakulären Festnahme des notorischen Sünders Hickey bewegt sich der Weltkonzern IOC endgültig auf einer Stufe mit dem Fußball-Weltkonzern Fifa – das Ansehen beider Organisationen tendiert gegen Null.

Die Fifa und ihre Kontinentalverbände werden von der US-amerikanischen Justiz nach dem Rico-Act durchleuchtet, einem Gesetz, das zur rigorosen und beschleunigten Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingeführt wurde.

Die Brasilianer durchleuchten Hickey, und wer weiß, was in diesem in Aufruhr befindlichen Land noch alles ans Tageslicht kommt – die Aufarbeitung mutmaßlich gigantischer Korruption bei der Vergabe und Ausrichtung der Rio-Spiele beginnt erst. Zudem werden seit einem Jahr die kriminellen Vorgänge im Leichtathletik-Weltverband IAAF von der französischen Justiz aufgearbeitet. In der Schweiz ermittelt die Bundesanwaltschaft in Sachen Fifa und Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und Katar – und bewegt sich damit in gefährlichen Wassern, im Wirkungsbereich jener Olympiamächte, denen Bach schwer verbunden ist und die den Lauf der Dinge im IOC-Business bestimmen. In Frankreich steht der langjährige IAAF-Präsident Lamine Diack unter Hausarrest, sein Sohn wird von Interpol gesucht. Typen wie Diack, bis Ende 2015 IOC-Mitglied, und den Fifa-Fürsten drohen Haftstrafen von mehreren Jahrzehnten. Hickey könnte bis zu sieben Jahre hinter Gitter kommen. Die bisher wichtigste Lehre aus den FIFA-Kriminalfällen lautet: Wenn es endlich einmal mit voller Härte des Gesetzes zur Sache geht, dann beginnen die Top-Funktionäre sehr schnell zu plaudern. Das macht Hoffnung.