Kultur: Tim Schleider (schl)

Alles bisher Erzählte kann man aber auch ganz anders sehen und verstehen. So wie damals, im Februar 2012 bei den Filmfestspielen in Berlin. „Angelina!“, brüllten die Fotojäger damals nach ihrem Wild. Aber wer lange Zeit nicht kam, war eben sie. Die Jolie schickte vielmehr ihre serbischen, kroatischen, bosnischen Schauspieler vor, eine lange Reihe den meisten Fotografen unbekannter Gesichter. Der Film „In the Land of Blood and Honey“ erzählte ja vom Bürgerkrieg in Jugoslawien. Jolie hatte nur solche Schauspieler für ihr Projekt ausgewählt, die den Bürgerkrieg in den neunziger Jahren selbst miterlebt hatten. „Das sind die wichtigen Protagonisten dieses Tages“, ließ sie den Fotografen sagen. „Wenn ihr sie nicht fotografiert, bekommt ihr mich auch nicht.“

 

Es war 2000 bei den Dreharbeiten zu „Lara Croft“ in Kambodscha, dass sich Jolie erstmals mit den Folgen der Kriege und Vertreibungen dieser Welt befasste. Seitdem engagiert sie sich. Seitdem ist sie Botschafterin des UN-Flüchtlingswerkes, betreibt in Washington Lobbyarbeit für die Bürgerkriegsopfer im Sudan oder für minderjährige Asylsuchende Amerika. „Brangelina“ ist eben keineswegs nur die Liaison zweier gut aussehender Mimen, sondern seit Jahr und Tag auch ein Organ des liberalen, politisch engagierten Amerikas. Die Patchworkfamilie Jolie-Pitt besteht neben den drei leiblichen aus drei adoptierten Kindern aus Kambodscha, Äthiopien und Vietnam und spendet Millionensummen für humanitäre Projekte.

Jolies Mutter ist bereits mit 56 Jahren an Krebst gestorben

Wer also glauben kann und mag, dass es diesem Paar darum geht, die immense eigene Popularität für etwas noch besseres einzusetzen als den eigenen Ruhm, nämlich für das Wohl anderer – der wird auch Jolies Beitrag in der „New York Times“ mit anderen Augen lesen. Jolie berichtet darin von ihrer Mutter, die zehn Jahre lang gegen den Krebs kämpfte und bereits mit 56 Jahren starb. Sie erzählt von ihren Kindern, für die sie noch lange da sein möchte, von der Unterstützung ihres Partners. Das alles klingt überlegt und kein bisschen sensationsheischend. Und der Leser ahnt, was es unabhängig von allen Fragen der Prävention für eine Bedeutung haben könnte, wenn eine der so titulierten „schönsten Frauen der Welt“ über ihr Gefühl nach der Operation schreibt: „Persönlich möchte ich bemerken, dass ich mich nun keineswegs weniger als Frau fühle. Ich fühle mich gestärkt, weil ich meine eigene Wahl treffen konnte, die in keiner Weise meine Feminität mindert.“

Welche Jolie-Lesart nun die richtige ist? Es gibt da ein letztes Bild von der Berlinale 2012 in Berlin. Am Ende der Bilderschlacht trat Jolie dann doch noch einmal solo vor die Fotografen. Sie stand ganz allein vor der Wand, still, regungslos, durchaus stolz. Und plötzlich war es still. Die ganze Fotografenmeute (vornehmlich Männer) tat keinen Mucks mehr. Respekt vor Mrs. Jolie.

Die zweite Jahreszahl: 2005. Bei den Dreharbeiten zur Agentenkomödie „Mr. und Mrs. Smith“ soll sie mit dem Darstellerkollegen Brad Pitt angebandelt haben, obwohl dieser mit der Kollegin Jennifer Anniston verheiratet war. Jolie selbst bestreitet das, aber Anfang 2006 kommt auch schon eine gemeinsame Tochter zur Welt. Da lautet die bösartige Lesart: Klar, wer die ganz große Kugel auf dem Markt der Stars schieben will, der braucht an seiner Seite den angeblich schönsten Mann der Welt, ohne Rücksicht auf Verluste.

Und nun die dritte Jahreszahl: 2013. In einem Beitrag für die „New York Times“ berichtet Angelina Jolie, fortan lieber ohne natürliche Brüste als mit dem Risiko einer Krebserkrankung leben zu wollen. Die chirurgisch-medizinische Prozedur habe sie auf sich genommen, nachdem ihr die Ärzte ein genetisch bedingtes Tumorrisiko von 87 Prozent diagnostiziert hätten. Freimütig davon schreiben wolle sie, um anderen Frauen in ähnlicher Situation ein ermutigendes Beispiel zu sein: „Das Leben bringt viele Herausforderungen. Jene davon, die wir annehmen und beherrschen können, sollten wir nicht fürchten.“ Und auch zu diesem Abschnitt in Jolies Leben gibt es sofort eine bösartige Lesart, gestern in Windeseile verbreitet auf den Internetforen dieser Welt: „Verlogen“ sei das, heißt es da, und noch viel schlimmeres. Die ewig nach Ruhm und Erfolg Strebende scheut, so vermutet das Netz. aus blanker Hysterie noch nicht mal die Selbstverstümmelung. Oder, noch krasser ausgedrückt, die ultimative Anti-Schönheits-OP.

Brangelina ist der Name einer Patchworkfamilie

Alles bisher Erzählte kann man aber auch ganz anders sehen und verstehen. So wie damals, im Februar 2012 bei den Filmfestspielen in Berlin. „Angelina!“, brüllten die Fotojäger damals nach ihrem Wild. Aber wer lange Zeit nicht kam, war eben sie. Die Jolie schickte vielmehr ihre serbischen, kroatischen, bosnischen Schauspieler vor, eine lange Reihe den meisten Fotografen unbekannter Gesichter. Der Film „In the Land of Blood and Honey“ erzählte ja vom Bürgerkrieg in Jugoslawien. Jolie hatte nur solche Schauspieler für ihr Projekt ausgewählt, die den Bürgerkrieg in den neunziger Jahren selbst miterlebt hatten. „Das sind die wichtigen Protagonisten dieses Tages“, ließ sie den Fotografen sagen. „Wenn ihr sie nicht fotografiert, bekommt ihr mich auch nicht.“

Es war 2000 bei den Dreharbeiten zu „Lara Croft“ in Kambodscha, dass sich Jolie erstmals mit den Folgen der Kriege und Vertreibungen dieser Welt befasste. Seitdem engagiert sie sich. Seitdem ist sie Botschafterin des UN-Flüchtlingswerkes, betreibt in Washington Lobbyarbeit für die Bürgerkriegsopfer im Sudan oder für minderjährige Asylsuchende Amerika. „Brangelina“ ist eben keineswegs nur die Liaison zweier gut aussehender Mimen, sondern seit Jahr und Tag auch ein Organ des liberalen, politisch engagierten Amerikas. Die Patchworkfamilie Jolie-Pitt besteht neben den drei leiblichen aus drei adoptierten Kindern aus Kambodscha, Äthiopien und Vietnam und spendet Millionensummen für humanitäre Projekte.

Jolies Mutter ist bereits mit 56 Jahren an Krebst gestorben

Wer also glauben kann und mag, dass es diesem Paar darum geht, die immense eigene Popularität für etwas noch besseres einzusetzen als den eigenen Ruhm, nämlich für das Wohl anderer – der wird auch Jolies Beitrag in der „New York Times“ mit anderen Augen lesen. Jolie berichtet darin von ihrer Mutter, die zehn Jahre lang gegen den Krebs kämpfte und bereits mit 56 Jahren starb. Sie erzählt von ihren Kindern, für die sie noch lange da sein möchte, von der Unterstützung ihres Partners. Das alles klingt überlegt und kein bisschen sensationsheischend. Und der Leser ahnt, was es unabhängig von allen Fragen der Prävention für eine Bedeutung haben könnte, wenn eine der so titulierten „schönsten Frauen der Welt“ über ihr Gefühl nach der Operation schreibt: „Persönlich möchte ich bemerken, dass ich mich nun keineswegs weniger als Frau fühle. Ich fühle mich gestärkt, weil ich meine eigene Wahl treffen konnte, die in keiner Weise meine Feminität mindert.“

Welche Jolie-Lesart nun die richtige ist? Es gibt da ein letztes Bild von der Berlinale 2012 in Berlin. Am Ende der Bilderschlacht trat Jolie dann doch noch einmal solo vor die Fotografen. Sie stand ganz allein vor der Wand, still, regungslos, durchaus stolz. Und plötzlich war es still. Die ganze Fotografenmeute (vornehmlich Männer) tat keinen Mucks mehr. Respekt vor Mrs. Jolie.