Exklusiv Vier Ex-Managern der LBBW Immobilien wirft die Staatsanwaltschaft schwere Untreue vor. Doch nur in zwei Fällen hat das Gericht die Anklage jetzt zugelassen. Es geht um Millionenverluste bei einem Projekt in Rumänien.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Mit Erfolgserlebnissen ist die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart derzeit nicht gerade verwöhnt. Im Prozess gegen frühere Vorstände der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) läuft es nicht gut für sie: Einen wesentlichen Teil der Anklage wegen Falschbilanzierung sieht das Landgericht Stuttgart, wie der Vorsitzende Richter signalisierte, bereits als entkräftet an.

 

Nun haben die Ermittler auch noch im Verfahren gegen Manager der einstigen LBBW Immobilien GmbH eine empfindliche Schlappe erlitten: Nur in zwei von vier Fällen hat das gleiche Gericht die Anklage wegen schwerer Untreue zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. In den beiden anderen Fällen wurde die Eröffnung „mangels hinreichenden Tatverdachts abgelehnt“, wie ein Gerichtssprecher der Stuttgarter Zeitung sagte. Dagegen gehe die Staatsanwaltschaft nun mit einer Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) vor, über die noch nicht entschieden sei.

Langes Ringen um Zulassung der Anklage

Um die Zulassung der Anklage war hinter den Kulissen seit Monaten erbittert gerungen worden. Einstweilen aus dem Schneider sind nach offiziell nicht bestätigten StZ-Informationen der frühere Vorsitzende der Geschäftsführung der LBBW Immobilien, Hans Strudel, und der einst für Finanzen zuständige Geschäftsführer, Frank Blumberg. Auf jeden Fall vor Gericht kommen der Ex-Geschäftsführer für den Bereich Projektentwicklung, Ralf P. Nisar, und einer seiner Projektleiter. Nisars Frankfurter Anwalt Eckart C. Hild weist den Vorwurf der Anklage aber weiterhin zurück. Er halte den – nicht mehr angreifbaren – Eröffnungsbeschluss der Kammer „sachlich und rechtlich für nicht überzeugend“, sagte Hild der StZ. Wann der Prozess beginnt, hängt von der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Beschwerde ab und ist somit noch offen. Als realistisch gilt ein Termin im Herbst.

Der Beginn der Ermittlungen liegt inzwischen fast fünf Jahre zurück. Auslöser war damals ein Bericht der LBBW-Konzernrevision, der desolate Zustände bei der Immobilientochter schilderte. Insbesondere der Bereich Projektentwicklung, der stark wachsen sollte, sei weitgehend außer Kontrolle geraten. Nachdem die StZ die interne Kritik öffentlich gemacht hatte, wurde die Staatsanwaltschaft aktiv. Im Sommer 2009 gab es zwei große Razzien – eine in der Zentrale der Landesbank, eine in den Räumen der LBBW-Immobilien. Dabei wurden 19 Umzugskartons mit Akten sichergestellt. Entsprechend „umfangreich und aufwendig“ gestalteten sich laut Staatsanwaltschaft die Ermittlungen, die mittlerweile rund vierzig Ordner füllen.

Millionenprojekt „auf mangelhafter Grundlage“

Ende Juli 2013 erhob die von Oberstaatsanwalt Hans Richter geführte Wirtschaftsabteilung schließlich Anklage. Von insgesamt neun untersuchten Komplexen blieb am Ende indes nur einer übrig – ein „hochriskantes Immobilienprojekt in Rumänien“, das der LBBW Immobilien einen Verlust in zweistelliger Millionenhöhe beschert habe. Fünf der acht anderen Fälle wurden laut einer Behördensprecherin eingestellt, weil sich kein hinreichender Tatverdacht ergeben habe; die drei übrigen wären gegenüber der Anklage nicht mehr ins Gewicht gefallen. Kein Ermittlungsverfahren wurde gegen Mitglieder des Gesellschafterausschusses eingeleitet, also Vorstände der LBBW. Begründung: man habe „keine zureichenden Anhaltspunkte für einen vorsätzlichen Verstoß gegen Vermögensbetreuungspflichten“ gesehen.

Gegen die drei Ex-Geschäftsführer und den Projektleiter hatte die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gemeinschaftlicher Untreue im besonders schweren Fall erhoben. Es ging um ein im Dezember 2007 beschlossenes Immobilienprojekt in der rumänischen Stadt Cluj (Klausenburg). Dieses sei auf einer „mangelhaften und teilweise auch falschen Informations- und Kalkulationsgrundlage“ geplant worden, befanden die Ermittler. Damit hätten die vier Angeklagten ihre Vermögensbetreuungspflicht verletzt.

Hochpreis-Wohnungen in Rumänien abwegig?

Im Einzelnen wird moniert, die Wirtschaftlichkeit des Projekts hätte wesentlich sorgfältiger untersucht werden müssen. Es fehlten „tragfähige Grundlagen für die Annahme, in einer mittelgroßen Stadt in Rumänien könnten 1300 Wohnungen im Hochpreissegment verkauft werden“. Über den Wert des Grundstücks, eines einstigen Fabrikgeländes, hätten keine ausreichenden Informationen vorgelegen. Zudem seien weder die Frage nach vorhandenen Altlasten noch mögliche Restitutionsansprüche vorab geprüft worden.

Aus dem Umfeld der Beschuldigten wurde darauf verwiesen, dass das Vorhaben keineswegs so abwegig gewesen sei. Für Cluj habe unter anderem gesprochen, dass der Nokia-Konzern dort ein Werk errichten wollte. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Gesellschafterausschuss das Projekt in Kenntnis aller Umstände abgesegnet habe; es sei dort als noch vertretbar eingestuft worden. Dass nun nur die Manager der Tochterfirma und nicht die LBBW-Vorstände verfolgt würden, sei insofern nicht konsequent.

Ob es sich wirklich um schwere Untreue handelt, muss nun die 20. Kammer des Landgerichts entscheiden. Ursprünglich hegte die Staatsanwaltschaft diesen Verdacht auch im Verfahren gegen die LBBW-Vorstände – im Zusammenhang mit US-Hypothekengeschäften. Doch er wurde schon während der Ermittlungen fallen gelassen. Übrig blieb der weniger gravierende Vorwurf der Bilanzfälschung. An diesem Freitag wird wieder verhandelt.