Seit über 30 Jahren kommt Anneliese Mühlich zum Schwimmen ins Bädle nach Sillenbuch. Das und ihre unerschütterliche Fröhlichkeit haben bestimmt dazu beigetragen, das sie nun ihr 100. Lebensjahr erreicht hat.

Sillenbuch - Das Sillenbucher Freibad hat etwas, das andere Freiluftbäder wohl auch gerne hätten: seinen eigenen Sonnenschein. Dieser hört auf den Namen Anneliese Mühlich. Seit mehr als 30 Jahren unterstützt die Rentnerin die Sonne überm Bädle mit ihrer guten Laune, und so kommt es nicht von ungefähr, dass ihr an diesem Nachmittag nicht nur die Geschäftsführerin der Bäderbetriebe, Anke Senne, zum 99. Geburtstag gratuliert, sondern auch etliche Badegäste und Angestellte.

 

Sie alle bedenkt Mühlich mit fröhlichem Lachen, und sie freut sich offensichtlich über den Floristenstrauß der Stadt genauso wie über die Gartenblümchen der Schwimmkameradin oder das Blumentöpfchen der Freibad-Bediensteten. „So ist sie immer“, sagt die Tochter Heidi Wahl. Seit ein paar Jahren bringt sie oder eines von Mühlichs fünf Enkelkindern die Seniorin ins Bädle und begleitet sie ins Wasser.

Bikini war früher

Denn obwohl die knapp 100-Jährige noch alleine in Sillenbuch lebt, geht eben doch nicht mehr alles. „Früher bin ich immer mit dem Rädle ins Bädle gefahren. Das war herrlich“, sagt Anneliese Mühlich frei von Bedauern darüber, dass diese Zeiten vorbei sind. Mit einem Glas alkoholfreien Sekts vom Bädle-Personal in der Hand blickt sie von der Bierbank aus übers glitzernde Wasser. Zwei Mädchen in Bikinis laufen vorbei, die geschätzte 90 Jahre ältere Frau blickt ihnen hinterher und gluckst vor Freude: „Hach, wenn ich die Mädchen seh’ – da könnt ich auch grad.“

Heute kann sie nicht ins Wasser. Sie hatte eine Erkältung und will die erst einmal ganz auskurieren. „Man kann es nicht erzwingen“, sagt Mühlich mit einer Gelassenheit, die sicherlich ihren Teil zu dem hohen Alter der Hobbyschwimmerin beigetragen hat und mit der sie eben auch dem Altern an sich begegnet. „Früher habe ich Bikini getragen. Aber alles hat seine Zeit“, sagt die Besitzerin von „mindestens fünf“ Badeanzügen.

Schwimmen am Seil

Ihre ersten Schwimmzüge machte Anneliese Mühlich vor 94 Jahren im, wie sie sagt, „grünen und trüben Wörnitz-Wasser“. Ihre Eltern seien zwar selbst keine leidenschaftlichen Schwimmer gewesen, hätten aber, falls mal etwas passiert, Wert darauf gelegt, dass ihre Kinder es können. So wurde die fünfjährige Anneliese an ein Seil gebunden durch das Flüsschen ihres mittelfränkischen Heimatorts Dinkelsbühl gezogen.

So detailliert, wie sie die erste Badeanstalt ihres Lebens beschreibt, wird klar, dass es ein Schlüsselerlebnis für sie gewesen sein muss. „Beim Schwimmen fühle ich mich frei und froh. Es gibt mir meine Fröhlichkeit“, sagt sie. Und immer, wenn das Bädle in Sicht kommt, freue sie sich. Denn: „Meine zweite Heimat ist mein Bädle.“

Bädle statt Ozean

Dabei durchschwamm Mühlich auch schon andere Gewässer. Als die Familie noch in der Innenstadt wohnte und sie drei Tage die Woche als Verkäuferin bei Breuninger tätig war, ging sie mit ihrem vor 25 Jahren verstorbenen Mann jeden Freitagmorgen ins Leuze, erinnert sich ihre Tochter. Auch gegen ein Bad in Salzwasser hat Anneliese Mühlich nichts, schwamm beispielsweise schon im Indischen Ozean vor dem südafrikanischen Durban. „Aber jetzt bin ich an meinem Bädle froh“, sagt die mit vielen Wassern Gewaschene.

Die Liebe zum Sillenbucher Freibad teilte sie mit ihrem Schwiegersohn, dem CDU-Stadtrat Dieter Wahl. Er setzte sich für die Sanierung des Bädles ein, bevor er vor drei Jahren starb. „Sein Tod hat sie schwer mitgenommen, er war wie ein Sohn für sie“, sagt seine Witwe Heidi Wahl. Tatsächlich hätte Mühlich gerne einen Sohn gehabt: „Aber dann war das Dritte auch ein Mädchen.“ Den Respekt, den ihr Anke Senne eingedenk dreier pubertierender Mädchen zollt, quittiert Mühlich strahlend: „Es war eine schöne Aufgabe.“