Dorothee Roth und Sybille Schwarz haben für die SSB die neuen Ansagen aufgenommen. Jeder kennt ihre Stimmen, kaum jemand ihr Gesicht. Zwei Mal im Jahr stehen sie hinterm Mikro, seit Jahrzehnten. Warum erklären sie uns beim Studiotermin.

Stuttgart - Ich kann ‚Vaihingen Bahnhof’ so aussprechen, oder so!“ Dorothee Roth intoniert den Namen der Stadtbahnhaltestelle mal mit gesenkter Stimme am Ende, mal mit angehobener, den Blick stets nach vorne gerichtet, als ob sie jemandem ansprechen würde. Beides hört sich gut an, die zweite Ansage wirkt fröhlicher. Doch ist sie besser? „Ich vergleiche immer wieder mit dem, was ich in anderen Städten höre, niemandem soll man Gefühle aufdrängen“, erklärt Roth. „Ich will den Menschen, die jeden Tag mit den Öffentlichen fahren, neutral freundlich etwas sagen, als ob ich es persönlich täte, aber sie nicht nerven.“

 

Die Schauspielerin, Sprechausbilderin und Moderatorin hat jahrzehntelange Erfahrung. Seit Ende der 70er-Jahre ist sie die Stimme in den Bussen und Bahnen der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), sagt die Haltestellen an. In der Regel zwei Mal im Jahr sitzt sie dafür vor dem Mikrofon in der Esslinger Soundfabrik Jankowski, um die Ansagendatenbank zu aktualisieren.

Neue Texte sind erforderlich

Und nun war es wieder soweit: Für das neue Netz, das vom 17. Mai an im Nahverkehr gilt, mussten neue Texte aufgenommen werden. Grund: Der Abschnitt Wallgraben-Dürrlewang der Stadtbahnlinie U12 ist fertig und wegen dem Verkehrsprojekt Stuttgart 21 wird die Haltestelle Staatsgalerie verlegt, die Verbindung zwischen dem Museum und dem Charlottenplatz gesperrt. Als Folge ergeben sich neue Ansagen wie „Zur Linie 24 bitte umsteigen“ oder „Linie 21 zum Charlottenplatz fährt ein“.

Letzteres nahm bereits am Vormittag Sybille Schwarz auf: Die Schauspielerin, Sprecherin und Kabarettistin kam 1997 an Bord der SSB, auf Vorschlag von Peter Hardt, Geschäftsführer der Soundfabrik. Als Stimme der Haltestellen verkündet sie, welche Linien gerade einfahren und welche Ziele noch auf der Strecke sind. „Dazu gehören mittlerweile auch Tipps für die Fahrgäste wie ‚Bitte lassen Sie aussteigen, bevor Sie einsteigen’“, beschreibt die Steinenbronnerin ihre Textbausteine, die nach der Aufnahme ins SSB-Archiv wandern. Dort befinden sich, so Pressesprecherin Susanne Schupp, mittlerweile rund 1500 Ansagen, mehr als 15 000 Wörter.

Im Studio indes, so erläutert Eberhardt Kurz, Leiter der Fahrgastinformation der SSB, werden ganze Sätze gesprochen, damit sie nach Bedarf zerlegt und neu kombiniert werden können – sogar mit 15 Jahre alten Textteilen. Daher freut er sich über die lange, kontinuierliche Zusammenarbeit mit Roth und Schwarz, deren warme, persönlich klingende Stimmen und gut verständliche Aussprache. „Sie klingen noch wie am ersten Tag“, so Kurz und erklärt, dass man wegen der Unterscheidbarkeit bewusst auf verschiedene Stimmen in den Fahrzeugen und Haltestellen setze. Synthetisierte Ansagen seien nie eine Alternative für die SSB gewesen. Das Persönliche sei sympathischer, Aushängeschild der SSB, die Fahrgäste sollen sich wohlfühlen.

Stimmen als ein Stück Heimat

Dass dies ankommt, bestätigen Schwarz und Roth. „Mir haben schon Leute gesagt, wenn ich ihre Stimme höre, ist das Heimat für mich“, so Roth. Straßenbahnfans sammelten ihre Kassetten, die sie in vordigitalen Zeiten besprach. „Damals musste ich noch aufnehmen, ‚Bitte nun die Kassette umdrehen’ – für den Fahrer an der Endstation“, erinnert sich schmunzelnd die Marbacherin, die nun in Zürich lebt.

Heute freilich werden die fertigen Ansagen per W-LAN in die elektronische Anlage (ELA) der Stadtbahnen oder Busse eingespeichert, die Texte für die Haltestellen wiederum in den Soundboxen einer Betriebsleitstelle. Eine Bahn, die sich einer Haltestelle nähert, übermittelt automatisch der Leitstelle Liniennummer und Fahrtziel, das Leitsystem sendet dann die digitalen Daten der passenden Ansage an die Lautsprecher in der Haltestelle.

Die wurden in den Bahnen auch schon mal angesungen – von der A-Capella-Band die Füenf, als diese Geburtstag hatte. „Wir werden sicher auch wieder mal besondere Ansagen laufen lassen, aber nur für eine gewisse Zeit, sonst kann das nerven“, sagt Kurz. Auf Dauer gingen nur die beliebten Stimmen von „Roth im Wagen und Schwarz in der Haltestelle.“