Der antiislamische Blogger „Fjordman“ will mit seinem Jünger Anders Breivik und dessen schrecklicher Tat nicht assoziiert werden.  

Kopenhagen - "Fjordman" nannte sich der anonyme Blogger, den der norwegische Massenmörder Anders Breivik als wichtigste Inspirationsquelle bezeichnet hatte. Zwei Wochen nach dem Massaker gibt sich der antiislamische Hassprediger nun zu erkennen: Er heißt Peder Jensen, ist 36 Jahre alt, und selbst seine Nächsten wussten nichts von seinen Umtrieben. Der Zeitung "VG", Norwegens auflagenstärkstem Blatt, hat er ein Interview gegeben und sich fotografieren lassen. Dann tauchte er ab.

 

Wie er lässig auf einer Steinmauer sitzt, in Jeans und weißem T-Shirt, mit Brille und Kräuselhaar, da gleicht er eher dem Betreuer in einer Sozialinstitution als einem Brandredner wider die multikulturelle Gesellschaft. Doch Jensen ist beides: im Alltag angestellt in einer Tagesstätte in Oslo, nach Dienstschluss der "talentierteste rechtsstehende Essayist Europas", wie ihn sein Bewunderer Breivik pries. Er hat die Thesen vom unausweichlichen Bürgerkrieg gegen die muslimische Bevölkerung auf "Anti-Djihad-Websites" wie "Gates of Vienna" verbreitet, er glaubt an eine Allianz zwischen der "kulturmarxistischen Elite" und Islamisten mit dem Ziel, die europäische Kultur auszulöschen, er sieht Verräter in allen, die sich der islamischen Zuwanderung nicht widersetzen, und spricht den Regierungen, die die multikulturelle Gesellschaft nicht bekämpfen, jede Legitimität ab. Um "die Sicherheit und das Überleben der Nation" zu schützen, werde man die "notwendigen Schritte" tun.

Damit ist "Fjordman" nicht nur für Breivik der "beste Schriftsteller der Gegenwart", den dieser in seinem "Manifest" 111-mal zitierte, sondern auch sonst eine große Nummer im Netzwerk der "Counter-Djihadisten". Er war überzeugt, dass Islamisten hinter dem Anschlag standen, als die Bombe im Osloer Regierungsviertel explodierte und nach eigenen Worten "sprachlos", als ihm die Wahrheit aufging. Für seinen Jünger Breivik hat er jetzt nur Verachtung übrig: "Seine Brutalität ist unfassbar. Ich will mit ihm und seiner schrecklichen Tat nicht assoziiert werden." Dass der Mörder ihn als Idol habe, sei "schrecklich unangenehm". Er sagt, er kenne Breivik kaum: ein paar Mails, die er für "Luftschlösser" hielt, kein persönliches Gespräch. "Er bat vor zwei Jahren um ein Treffen, aber ich habe abgelehnt, nicht, weil er von Gewalt redete, sondern weil er langweilig wirkte. Wie ein Staubsaugerverkäufer." Breivik habe intellektuell nichts beizutragen gehabt, "von den Tempelrittern, auf die er verweist, habe ich nie gehört".

Die Nachbarn kennen ihn nur als netten Sozialhelfer

Jensen hat an der Universität Oslo Kultur und Technologie studiert und Arabisch in Bergen und Kairo, er schrieb seine Masterarbeit über Zensur und Blogs im Iran. Die wenigen, die ihn als "Fjordman" trafen, waren negativ berührt. "Als Gesprächspartner war er uninteressant, als Mensch unangenehm, mit extremen Haltungen und starken Konspirationstheorien", sagt Hege Storhaug vom rechtsgewirkten Human Rights Service. Die Nachbarn in Ålesund kannten ihn nur als den netten Sozialhelfer. "Für meine Umgebung wird das ein Schock sein", sagt er. "Ich verstehe, dass die Leute einen Sündenbock brauchen, und da Breivik hinter Schloss und Riegel ist, werde ich zum Hassobjekt."

Er frage sich, ob er sich falsch ausgedrückt habe, "aber ich habe nie erlebt, dass jemand wegen dem, was ich schrieb, zu Gewalt griff, und Hunderttausende in aller Welt haben mich gelesen". Autoren wie Jensen forderten nicht direkt zu Gewalt auf, sagt der Szenenkenner éyvind Strømmen, "aber sie haben jahrelang zur Radikalisierung beigetragen". Die Polizei hat Jensen als Zeugen verhört, obwohl er meint, wie ein Verdächtiger behandelt worden zu sein. Sie hat seinen Computer behalten, um seinen Kontakten nachzuspüren. "Wenn es um Breivik oder um Kriminelles geht, werden sie nichts finden", ist er überzeugt. Er selbst hat nach seinem Interview die Flucht ergriffen: "Ich tauche auf unbestimmte Zeit unter, aus Rücksicht auf meine Sicherheit", sagt Peter Jensen, und "Fjordman" ist Vergangenheit. "Vielleicht werde ich eines Tages wieder bloggen, aber sicher nicht unter diesem Pseudonym."Norwegen steht zwei Wochen nach den Anschlägen weiter im Zeichen der Trauer. 30 Opfer wurden am Freitag beigesetzt, an allen Zeremonien nahmen auch Vertreter der Regierung teil, darunter Ministerpräsident Jens Stoltenberg.