Um Freiheit im digitalen Zeitalter geht es auch auf dem Anwaltstag in Stuttgart. Das deutsche Recht sei alles andere als ein stumpfes Schwert gegenüber Facebook, Twitter und Google plus, sagen Anwälte. Viele Rechtsfragen sind dennoch offen.

Stuttgart - Schon der bis auf den letzten Platz gefüllte Vortragssaal beim 65. Deutschen Anwaltstag im Stuttgarter Kongresszentrum Liederhalle ist ein Beleg dafür, dass hier ein neues Thema die Juristen bewegt – und vielleicht ein neues Geschäftsfeld. Es ging am Donnerstag um die Freiheit im Netz, die Fragen, wem die persönlichen Daten und Inhalte gehören, die über Twitter, Facebook, What’s App und andere ins weltweite Netz gestellt werden. Es ging auch um die neuen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die durch die digitale Technik stärker als bisher verwoben sind: durch Smartphones oder Apps – die mal privat und mal dienstlich genutzt werden.

 

Der Bielefelder Anwalt Marcus Beckmann ist selbst „massiv“ auf Facebook tätig und hat den Eindruck, dass nur die wenigsten Mitbürger die ellenlangen Nutzungsbedingungen der sozialen Netzwerke – die sich übrigens ständig ändern – wirklich lesen und verstehen. Würden sie es tun, würden ihnen wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen. Aber zunächst einmal erklärt der Jurist, welches Recht überhaupt auf Firmen wie Google oder Facebook anwendbar ist. Das der USA, wo die Konzerne ihren Hauptsitz haben? Das europäische oder das deutsche? Beckmann steht klar auf dem Standpunkt, dass deutsches oder europäisches Recht zur Anwendung kommt. Das EU-Recht beispielsweise lässt keine Aushöhlung des Verbraucherschutzes zu; die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in Deutschland sind auch auf Internetdienste anwendbar. Und um ein Fazit Beckmanns vorwegzunehmen: „Die Nutzungsbedingungen der sozialen Netzwerke aus den USA sind so weitreichend, ebenso die von E-Mail-Anbietern oder Clouds, dass sie bei der Anwendung unserer AGBs eigentlich alle unwirksam sind.“ Die „Büchse“ des deutschen Rechts sei noch gar nicht richtig geöffnet worden.

Selten genutzte Privatsphäre

Es gehe beispielsweise um eine simple Frage wie die, ob man die in früheren Tagen einmal gepostete Mitgliedschaft in einem Dackelclub wieder aus dem Netz löschen könne, sagt Beckmann. Natürlich sei es das Wesen der sozialen Netzwerke, dass Informationen geteilt und verbreitet werden. Aber wie weit geht die Nutzung durch andere? Laut Beckmann teilt Facebook bei der Abzeichnung der Nutzungsbedingungen mit der Anrede „Du erteilst uns die Erlaubnis“ mit, „dass wir deinen Namen und dein Profilbild für kommerzielle und gesponsorte Inhalte einsetzen“ – insofern man nicht bei der „Privatsphäreneinteilung“ etwas anderes festgelegt habe. Hat das aber tatsächlich jeder getan? Wohl auch aus Unkenntnis nicht. Bei der konsequenten Anwendung deutschen Rechts hinwieder, betont Beckmann, seien viele solcher Klauseln „regelmäßig unwirksam“.