Die Polizei bricht die Tür zur Wohnung eines Rentnerehepaares auf, weil dort eine Waffe vermutet wird - und erlebt eine Überraschung.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Am Standort eines Grills im Garten eines Mehrfamilienhauses hat sich im Frühjahr ein Nachbarschaftsstreit im Stuttgarter Westen entzündet. Klein beigelegt wurde er nicht - ganz im Gegenteil. Der Zwist eskalierte, bis sogar die Polizei eingeschaltet wurde. Für das Ehepaar Maria und Goran Djurovski (Name geändert) gipfelte der Streit in einem schrecklichen Erwachen. Weil die Nachbarn angezeigt hatten, der 75-jährige Mann würde illegal Waffen besitzen und drohen, sie gegen andere Bewohner zu richten, standen am 5. August unvermittelt Polizeibeamte morgens um 6 Uhr mit einem Durchsuchungsbefehl im Flur. Die Tür hatten sie aufgebrochen, von dem Krach waren die 70 und 75 Jahre alten Eheleute aufgewacht. "Ich bin psychisch total fertig", sagt die 70-jährige Ehefrau unter Tränen. "Wir haben niemandem etwas getan und werden so behandelt."

 

Die Beamten hatten das Paar und den 26 Jahre alten Enkel zu Boden geworfen, mit Handschellen gefesselt und immer wieder gerufen: "Wo ist die Waffe, geben Sie die heraus." Die Polizei hätte doch am Tag kommen und fragen können, ob eine Waffe im Haus sei, klagen die beiden Rentner. Dass die Beamten am frühen Morgen die Tür aufbrachen, verstehen sie nicht.

Ein Anwalt wurde eingeschaltet

Für die Polizei ist solch ein Einsatz nicht ungewöhnlich. "Wenn wir eine Anzeige haben, dass jemand Waffen hat und auch droht, damit zu schießen, müssen wir so handeln", sagt ein Sprecher der Polizei. Schließlich habe es keinen Sinn, sich anzukündigen. "Wäre eine Waffe vorhanden, könnte der Verdächtige sie dann ja zur Seite schaffen." Außerdem habe wegen des vermuteten Besitzes einer Waffe ein Durchsuchungsbefehl vorgelegen. Für die Djurovskis ist dieser Vorwurf einer der Fehler, den sie beklagen. "Es ist ja nicht einmal nur der Verdacht, da steht ja wegen des Besitzes", schimpft Goran Djurovski. Die beiden wollen den Zwischenfall nicht auf sich beruhen lassen. Sie haben einen Anwalt eingeschaltet. Bei dem Einsatz der Polizei erschraken beide nicht nur gewaltig. Die 70-jährige Rentnerin zeigt Fotos von einer 30 Zentimeter langen Schürfwunde und einem Bluterguss, die sie erlitten habe, als die Beamten sie auf den Boden drängten.

Die Bewohner hatten geschrien, als die Beamten in die Wohnung stürmten. Das sei zwar verständlich, aber die Polizisten hätten durchgreifen müssen, um die Durchsuchung zu ermöglichen, so der Polizeisprecher. Maskiert, wie von dem Ehepaar beschrieben, seien die Beamten dabei nicht gewesen. "Sie trugen Helme zum Schutz, schließlich ging es ja darum, dass eine Waffe in der Wohnung sein sollte und der Besitzer sie gebrauchen würde", so der Sprecher.

Die Kosten für die Tür übernimmt die Polizei

Noch am Tag der Durchsuchung gingen die Djurovskis auf das Polizeirevier in der Gutenbergstraße. "Dort wurde uns geraten, eine Anzeige wegen Körperverletzung zu stellen", sagt Maria Djurovski. Das habe sie dann auch getan. "Wir raten immer zur Anzeige, wenn jemand sich falsch behandelt fühlt", betont der Polizeisprecher. Der Vorfall müsse schließlich aufgeklärt werden. Zusätzlich haben sich die Rentner auch an das Dezernat gewandt, das Amtsverstöße bearbeitet. Falsche Verdächtigung und Verfolgung Unschuldiger lautet der Vorwurf.

Zunächst wollen die beiden ihre Tür reparieren lassen - die Kosten dafür übernimmt die Polizei. Dann hofft Goran Djurovski auf eine Entschuldigung. "Ich hatte nie eine Waffe. Ich habe das nie gesagt", sagt er über die Anzeige der Nachbarn, die den Stress ausgelöst hatte. "Ich will auch endlich mal wieder ruhig schlafen", sagt Maria Djurovski. Noch braucht sie dafür Beruhigungsmittel: der Psychiater hat eine depressive Störung bei ihr festgestellt, die durch den Zwischenfall ausgelöst wurde.