Die AOK bietet bei zahlreichen Therapievorschlägen einen Faktencheck an. Die Versicherung gibt damit Versicherten wissenschaftlich fundierte Informationen an die Hand.

Berlin - Wer im Internet bei „Google“ das Stichwort „Gesundheit“ eingibt, kommt auf 180 Millionen Ergebnisse. Informationen über medizinische Behandlungen, Arzneimittel oder Medizinprodukte sind also in Hülle und Fülle vorhanden. Im Dschungel der Informationsflut wissenschaftlich fundierte und nicht-kommerzielle Auskunft zu finden, ist trotzdem ungemein schwer. Das will der AOK-Bundesverband ändern. Am Dienstag stellte AOK-Chef Jürgen Graalmann in Berlin die „Faktenboxen“ vor – grafisch gut verständlich aufbereitete Informationen auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen. Derzeit sind auf der Internetseite der AOK elf „Faktenboxen“ einzusehen, deren Bandbreite von Nahrungsergänzungsmitteln zur Krebsvorsorge bis zur Ultraschall-Früherkennung von Eierstockkrebs reicht. Künftig sollen weitere „Boxen“ hinzukommen und Fragen ansprechen, die viele Patienten interessieren – sei es die PSA-Bestimmung zur Früherkennung von Prostata-Krebs oder die Bluthochdruck- oder Cholesterinwerte-Therapie.

 

Die Angaben in den „Faktenboxen“ erstellen der Mediziner Attila Altiner von der Universität Rostock und der Chef des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung,Gerd Gigerenzer. Unterstützung kommt auch von Wolf-Dieter Ludwig, der die Klinik für Hämatologie und Onkologie in Berlin-Buch leitet und Chef der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft ist. Gigerenzer und Ludwig betonten, sie vertrauten der Unabhängigkeit und Seriosität des Modells. Sonst würden sie die „Faktenboxen“ nicht unterstützen.

Statistik kann auch verwirren

Gigerenzer sagt, verständliche und ehrliche Aufklärung sei wichtig und macht dies an einem Beispiel deutlich. Als in England neuartige Antibaby-Pillen auf den Markt kamen, gab es Berichte, wonach die Präparate das Thrombose-Risiko um 100 Prozent erhöhten. Viele Frauen, so Gigerenzer, hätten die Pille abgesetzt und seien ungewollt schwanger geworden. Dabei hätten von 7000 Frauen, die früher die Pille nahmen, eine Frau eine Thrombose bekommen, bei den neuen Präparaten seien es zwei gewesen. Die 100-Prozent-Angabe sei also korrekt, aber irreführend und gefährlich.

Ludwig beklagte, dass es in Deutschland kaum Ansätze für eine Lobby-freie Information der Patienten gebe. Vielmehr bestehe eine Dominanz an Informationen, die nur den Interessen der Industrie dienten. Deshalb treffe unabhängige Aufklärung auf massiven Widerstand.

Ein ausführliches Gespräch könnte oft mehr helfen

Nach den Worten Ludwigs ist es durchaus möglich, dass Ärzte auf manche Behandlungen verzichten, ohne dass dies von Nachteil für einen Kranken sei. Er lobte die neue Initiative „Gemeinsam klug entscheiden“, die sich bei den medizinischen Fachgesellschaften entwickelt hat. Was es damit auf sich hat, erläutert die Medizinerin Ina Kopp in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Oft verschrieben Ärzte Therapien oder Untersuchungen, weil sie sich juristisch absichern wollten oder weil sie meinten, dass der Patient dies verlange. Beim Kreuzschmerz etwa würden oft Röntgenbilder erstellt und Reizstromtherapie verordnet, was meist unnötig sei oder keine Besserung bringe. „Wenn ein Arzt statt Reizstrom mehr Bewegung empfiehlt, haben Patienten vielleicht das Gefühl, er würde ihnen etwas vorenthalten. Ein ausführliches Gespräch darüber, woher die Schmerzen kommen und wie sie selbst etwas dagegen tun können, würde vielen Patienten mehr helfen.“