Auf Initiative des Landrats Richard Sigel ist das Arboretum – eine art offener Baumgarten mit exotischen Gehölzen – durch Erlebnisstationen für Kinder erweitert worden. Ein Besuch lohnt sich.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Konzentriert lugt Leon durch seinen Feldstecher und scannt die knorrigen Eichen vor seiner Nase nach versteckten Tieren ab. Den großen schwarzen Vogel mit dem roten Scheitel entdeckt der Knirps als Erstes. Das muss die Mama erfahren: „Ein Papagei!“, ruft der Sechsjährige stolz. Knapp vorbei: Es ist der Schwarzspecht, den die Verwechslung ebenso wenig stört wie das hölzerne Wildschwein, das Leon als „Waldschwein“ bezeichnet. Einzig der Dachs, der keck aus einer Wurzelhöhle linst, könnte leicht angesäuert sein: er ein „Stinktier“? Nie und nimmer!

 

Leon und seine Mama haben den schönen Herbsttag genutzt und im neu gestalteten Arboretum an der Eichendorffstraße vorbeigeschaut. Der Besuch lohnt mehr denn je und ist besser als Fernsehen. Der rund ein Hektar große Baumgarten am Utschberg mit heimischen und rund zwei Dutzend exotischen Gehölzen besteht zwar schon seit 1978. Seit wenigen Tagen jedoch ist er um ein grünes Klassenzimmer für Schüler sowie etliche Erlebnisstationen für Kinder erweitert worden, um den Besuchern spielerisch das Wissen um den Wald, die Bäume und die Holznutzung zu vermitteln und ihnen auch die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel nahezubringen. Und das frei zugänglich.

Stiftung fördert Erweiterung des Angebots

Das waldpädagogische Konzept haben die beiden „WaldMeister“ und Naturparkführer Walter Hieber und Professor Manfred Krautter auf Initiative von Landrat Richard Sigel entwickelt. Von der Stiftung der Kreissparkasse Waiblingen gab es einen Zuschuss in Höhe von 20 000 Euro. Umgesetzt wurde es zusammen mit Gemeindeförster Axel Kalmbach und dessen Team.

In einem ersten Schritt haben Hieber und Krautter ein Farbsystem eingeführt, das den Besuchern helfen soll, fremdländische von heimischen Baumarten leichter zu unterscheiden. Farbige Punkte auf den Hinweistafeln mit Infos geben nun nicht nur Auskunft über Nikko-Tanne, Schwarzkiefer, Libanon-Zeder, Tulpenbaum und Co., sondern auch über deren Herkunft.

Unter Bäumen über Bäume lernen

Eingerichtet wurde ein hölzernes Klassenzimmer mit überdachten Bänken, Sitzecke und Tafel sowie einem abschließbaren Schränkchen mit jeder Menge Material für einen spannenden Unterricht unter den Baumwipfeln. „Hier gibt es Infomaterial, Spielebeschreibungen, Geschichten zum Vorlesen, Wasserkanister, Handtücher, Klemmbretter, Stifte, Becherlupen, Sitzkissen, Sägen und anderes Werkzeug sowie Aufgaben und Bestimmungshilfen, um die Tierwelt und Bäume ringsherum zu erforschen“, sagt Walter Hieber. Der Schrank sei mit einem Zahlenschloss gesichert. Lehrkräfte könnten den Code erfragen und das Klassenzimmer im Grünen bei Bedarf Problem nutzen. „Die Idee ist, dass man unter Bäumen über die Bäume lernt“, erklärt Hieber. „Nur wer Bäume versteht und sie erlebt, der schützt sie auch.“

Doch auch ohne Zugang zum Materialschrank gibt es noch jede Menge spannender Stationen. Etwa die eingangs erwähnte Aussichtsplattform, die so in den Hang gebaut wurde, dass man schon fast in den Wipfeln thront. Und von wo aus man mit kleinen Ferngläsern rund 30 verschiedene Tierfiguren entdecken kann, die die „WaldMeister“ und Arbeiter vom Boden bis hoch in die Baumkronen verteilt haben.

Ein Steinwurf entfernt steht ein großes Memory-Spiel mit Bildern und Klapptürchen, bei dem es gilt, Pflanzenteile den richtigen Baumarten zuzuordnen. „Blätter und Zapfen müssen dem entsprechenden Baum zugeordnet werden“, so Hieber. „Was Kinder gern machen, das prägt sich auch gut ein.“

Nachhaltiges Baumkegeln und grünes Klassenzimmer

An einer weiteren Station können die Kinder mit Holzbauklötzen Türme oder Häuschen bauen. Statt Handy gibt es ein „Baumtelefon“, ein liegender Baumstamm, an dem Kinder auf der einen Seite ihr Ohr anlegen und auf der anderen Seite klopfen oder kratzen können. „Über die Rinde und die Schwingungen spürt auch das Eichhörnchen, dass sich der Marder nähert und ist gewarnt.“ Den richtigen Schwung braucht’s hingegen beim Kegelspiel mit Holzkugel und Baumkegeln. „Da spielt man dann Sturm – das kann man so spielen, dass nach jedem Versuch alle Kegel wieder aufgestellt werden, das wäre dann die nachhaltige Variante, oder so, dass nach jedem Versuch immer ein Kegel weniger platziert wird. Dann endet der Spaß jedoch deutlich schneller.“

Vernetzung in der Hängematte

Weitere Stationen sind ein Wald-Netzwerk, das den Besuchern die Verbindungen im Wald symbolisch sichtbar macht. „Über Wurzeln, Pilzgeflechte und andere Elemente der Waldflora tauschen die Pflanzen chemische Botenstoffe aus“, erklärt Hieber. An der Station sind im Boden Schläuche eingelassen, über die die Waldentdecker miteinander kommunizieren können – sofern es ein passendes Endstück gibt. Auf dem gespannten Netz kann man sich auch mal einfach nur hängen lassen oder nach oben in die Wipfel schauen und den Moment in der Natur genießen. Wenn man nicht lieber seine Zeit damit verbringen mag, die Jahresringe der Baum-Uhr zu zählen – einer polierten und lackierten Scheibe –, um herauszufinden, in welchem Alter der Baum gefällt worden ist.

Ein neuer Ginkgo erweitert die Sammlung

Landrat Richard Sigel zeigte sich begeistert von der Umsetzung des erneuerten Arboretums: „Wir wollten den Wald für Kinder erlebbar machen und das Arboretum revitalisieren.“ Das sei mehr als gelungen. Bei der Einweihungsfeier wurde zusätzlich zu den 30 vorhandenen Baumarten noch ein Ginkgo gepflanzt, mit dabei waren unter anderem die Stellvertretende Bürgermeisterin Edelgard Löffler, die Schwäbische Waldfee Michelle Fuchs sowie Vincenzo Giuliano von der Stiftung der Kreissparkasse, Förster Kalmbach und die beiden „WaldMeister“ Hieber und Krautter. „Ginkgobäume kommen aus China, sie gibt es schon seit dem Jura, dem Zeitalter der Dinosaurier“, erläuterte Manfred Krautter. „Der Ginkgo besitzt enorme Widerstandskraft gegen Schädlinge und Krankheiten.“ Er sei Symbol für Frieden und Umweltschutz und besitze ungeheuren Überlebenswillen: Als 1945 die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen wurde, sei dort ein verkohlter Ginkgobaum nach nur einem Jahr bereits wieder ausgetrieben.

Den Ginkgo hat Leon noch nicht auf dem Schirm, aber immerhin hat er schon Schwarzspecht, Wildschwein und Dachs kennengelernt. Und dass er noch öfter ins Arboretum kommt, davon ist seine Mama überzeugt: „Hier gibt’s viel zu erleben, das ist besser, als nur vor dem Fernseher zu sitzen.“

Baumsammlung

Arboretum
 Ein Arboretum ist eine speziell angelegte Sammlung von Bäumen, Sträuchern und Pflanzenarten, die für Bildung, Forschung und Erholungszwecke dient. Es schützt gefährdete Pflanzenarten, fördert Umweltbewusstsein und ermöglicht Studium sowie Präsentation verschiedener Baumarten.

Vielfalt der Natur
 Im Jahr 1978 wurden im Gemeindewald Sulzbach an der Murr 21 fremdländische Baumarten auf einer knapp ein Hektar großen Fläche gruppenweise angebaut. Einige einheimische Bäume wurden belassen. Dem Besucher werden somit insgesamt 30 Baumarten auf Informationstafeln entlang eines Rundweges näher erläutert. 2020 wurden weitere Bäume nachgepflanzt. Nun wurden zusätzliche Lernstationen geschaffen. Das Arboretum liegt an der Eichendorffstraße, der Eintritt ist frei.