Mit Tina Hassel leitet erstmals eine Frau das ARD-Hauptstadtstudio, am Sonntag moderiert sie den „Bericht aus Berlin“. Im Interview verrät sie, wie sie Zuschauer für Politik begeistern will – und was in Berlin anders ist als in Washington.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart – Von großen Fußstapfen habe sie sich nie beeindrucken lassen, sagt Tina Hassel – auch als Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios will die Nachfolgerin von Ulrich Deppendorf eigene Akzente setzen.

 

Ihre Ideen bringt sie aus den USA mit: Die 51-jährige setzt auf die sozialen Medien, will auch mal raus aus dem Fernsehstudio und statt nur mit den Wichtigen auch mit den „Work Horses“ in der zweiten Reihe reden.

Frau Hassel, Sie sind die erste Frau auf dem Chefsessel des ARD-Hauptstadtstudios – seit 1963 haben stets Männer die Studios in Bonn und Berlin geleitet. Ist die ARD nicht ein bisschen arg spät dran?
Ich überlasse es Ihnen, das zu bewerten.
Das Hauptstadtstudio, das Sie nun als Chefredakteurin Fernsehen leiten, hat rund 190 Mitarbeiter, darunter etwa 70 Journalisten.
Ja, ein richtig großer Laden. Das ist ein tolles Team, schließlich schicken die ARD-Anstalten ihre besten Leute hierher. Das ist wie bei der Fußballnationalmannschaft, in die die Bundesligavereine ihre besten Spieler entsenden.
Was für einen Trainer bekommt diese ARD-Nationalmannschaft?
Einen leidenschaftlichen! Ich bin leidenschaftlich politikinteressiert und leidenschaftlich Journalistin. Schon während meiner Schulzeit habe ich mehr als zwei Jahre lang für die Tageszeitung „Rheinische Post“ in jeder Wochenendausgabe eine Seite gestaltet. Journalismus ist für mich die ideale Art und Weise, meine Neugier, meine Lust zu stillen, Menschen zu treffen und Dinge zu verstehen.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich bin jemand, der andere begeistern kann, der aber mehr mitnimmt statt von oben anordnet – also kein autoritärer Herrschaftstyp, sondern eine Chefin mit einem klaren Kompass.
Und was, um ebenfalls im Bild zu bleiben, sind die Koordinaten, mit denen Sie diesen Kompass füttern?
Das sind journalistische Koordinaten. Ich bin für absolut gründliche Recherche. Das bedeutet, dass ich in unserem sehr schnelllebigen Geschäft lieber eine Umdrehung später auf den Sender gehe, aber dafür dem Zuschauer mehr bieten kann.
Ihr Vorgänger Ulrich Deppendorf war elf Jahre lang Leiter des Hauptstadtstudios, knapp 300 Mal hat er den „Bericht aus Berlin“ moderiert und die Regierungsberichterstattung der ARD geprägt – als er in den Ruhestand ging, hieß es, eine Ära gehe zu Ende. Wie wollen Sie sich von ihm absetzen?
Ich habe sehr große Hochachtung vor Ulrich Deppendorf. Gleichzeitig habe ich mich nie, egal, wo ich angefangen habe, von großen Fußstapfen beeindrucken lassen, sondern meine eigenen gesetzt.
Die Politikberichterstattung in der ARD, wie sie Deppendorf geprägt hat, gilt zwar als seriös, wird aber als steif, ritualisiert und unpersönlich kritisiert. Wollen Sie das ändern?
Das sehe ich anders: Es gibt schon sehr Frisches, Lebendiges in unserer Politikberichterstattung. Da muss die ARD nicht erst auf mich warten.
An wen denken Sie konkret?
Ich finde beispielsweise, dass die „Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga extrem frisch und persönlich moderiert; auch im „Morgenmagazin“ werden frische Ansätze ausprobiert, und der „Monitor“-Moderator Georg Restle ist doch ein unkonventionelles Gesicht, um nur einige zu nennen.