Zwischen Historien- und Liebesdrama: der Film "Carl & Bertha" ist einer der Höhepunkte der ARD-Themenwoche "Der mobile Mensch".

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Ein Wolkenbruch geht auf den Hof der kleinen Gasmotorenfabrik in Mannheim nieder, und die Wucht der Naturgewalt übersetzt das Ausmaß der Verzweiflung von Carl und Bertha Benz, die sich da regentriefend gegenüberstehen, in ein ergreifendes Bild. Es ist die Verzweiflung eines Mannes, der kurz davor ist, seinen Lebenstraum aufzugeben: die Erfindung des ersten motorgetriebenen Wagens. Und es ist die Verzweiflung einer Frau, die dies mit all ihrer Kraft verhindern will. "Wir haben uns versprochen, dass wir nie aufhören, an uns zu glauben", schreit Bertha gegen das Gewittergetöse und die Resignation ihres Mannes in dieser Augustnacht im Jahr 1888 an. Ausgehend von dieser Schlüsselszene entfaltet der Film "Carl & Bertha" die Liebesgeschichte dieses Paares, die unauflöslich verwoben ist mit den Anfängen der deutschen Automobilgeschichte - weshalb die ARD das Historiendrama als einen der Glanzpunkte der am Sonntag beginnenden Themenwoche "Der mobile Mensch" platziert - am kommenden Montagabend zur Primetime.

 

Die unabhängigkeitsliebende Bertha Ringer (Felicitas Woll) lernt 1870 in Pforzheim den eigensinnigen Ingenieur Carl Benz (Ken Duken) kennen und heiratet ihn gegen die Widerstände ihrer Familie. Carls Vision von einem pferdelosen Wagen, mit dem er die "Demokratisierung der Mobilität" erreichen will, wird auch Berthas Vision; in deren Dienst stellt sie fortan ihre Begeisterungsfähigkeit und ihre Liebe.

Historische Authentizität statt Effekthascherei

Der melodramatische Auftakt trägt den Film eine ganze Weile über die Statik der nachfolgenden ersten Hälfte hinweg, die im Rückblick erzählt, was der Gewitternacht vorausgegangen ist. Denn bis die weltverändernde Erfindung aus dem Ländle Wirklichkeit werden kann, gilt es für das Ehepaar Benz mit ihren zunächst vier Kindern, viele von Mühsal, Entbehrung und Rückschlägen gekennzeichnete Jahre zu durchstehen. Investoren springen auf und wieder ab, Profiteure stellen Stolperfallen, Spötter geben den Selbstzweifeln immer wieder neue Nahrung. Wiederholt sieht man Carl, wie er sich in seiner Werkstatt über seine Zeichnungen beugt oder ein Motorenteil fertigt, wie die Zweifel in ihm überhand nehmen - und wie Bertha den Glauben an sich und seine Sache wieder aufpäppelt, wenn sie nicht im Haus gerade das Essen auf den Tisch stellt oder den Holzofen ausfegt. Dabei gelingt es Felicitas Woll diese toughe Badenerin trotz ihres eingeschränkten häuslichen Radius eben nicht als die den Rücken des Mannes stärkende Ehegattin darzustellen, sondern als die eigentliche treibende Kraft, die ihrem Mann eine ebenbürtige Partnerin ist.

Der Regisseur Till Endemann und der Autor Stefan Rogall stilisieren die um fiktionale Elemente erweiterte Nacherzählung des historischen Stoffs dankenswerterweise nicht zum effekthascherischen TV-Event hoch. Stattdessen setzen sie auf die Bannkraft der romantischen Lovestory und auf größtmögliche historische Authentizität bei der Ausstattung. Dem Zuschauer mutet das Drama zwar etliche Längen zu, etwa durch den wiederholten Szenenwechsel zwischen Werkstatt und Haushalt. Dass es letztendlich trotzdem verfängt, liegt vor allem an den Hauptdarstellern. Berthas Lebensklugheit und Stabilität ist Woll schon ins Gesicht geschnitten, auch Duken vermag das Fieberhafte und Träumerische des Konstrukteurs glaubhaft zu verkörpern.

Richtig an Fahrt, nicht nur bildlich gesprochen, gewinnt der Film erst im letzten Teil, nach eben jener nächtlichen Gewitterszene, die in der Ouvertüre vorweg genommen wurde: Am Morgen danach bricht Bertha Benz mit ihren zwei Söhnen zu einer Fahrt auf, die Technikgeschichte geschrieben hat. In 12 Stunden und 57 Minuten schaffen sie es mit dem Benz Patent-Motorwagen Nr. 3 von Mannheim nach Pforzheim und beweisen die Alltagstauglichkeit des "Hexenkarrens". In dem Blick, mit dem Bertha den gaffenden Passanten am Wegesrand begegnet, liegt der Triumph einer Frau, deren Glauben an die Machbarkeit - und an ihren Carl - unerschütterlich ist.

Hintergrund: Die ARD-Themenwoche in TV, Radio und Internet

Mobilität Vom 22. bis zum 27. Mai informieren das Erste und die Landesanstalten in Fernsehen, Radio und Internet über mobiles Leben in all seinen Facetten. Die Federführung der Themenwoche liegt beim Südwestrundfunk (SWR).

Legenden Dokumentationen (etwa "Autolegenden: Gottlieb Daimler", 22. Mai, 17 Uhr ), Talkshows ("Anne Will") sowie Ranga Yogeshwars Wissensshow (26. Mai, 20.15 Uhr) und andere Formate greifen den Schwerpunkt auf.

Das ganze Programm unter: themenwoche.ard.de

"Carl & Bertha" Die ARD zeigt die Koproduktion von Zeitsprung Entertainment, SWR, Degeto, NDR und BR am Montag, 23. Mai, um 20.15 Uhr.