Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)
Was ist eine vertretbare Größe für eine Flüchtlingsunterkunft?
Das ehemalige Olgahospital zeigt, dass man bis 150 gehen kann. Die Flüchtlinge sind in einem Festbau untergebracht, die Infrastruktur stimmt und sie sind an einem zentralen Ort. Das ehemalige Olgäle ist ein Standort, den man längerfristig für Flüchtlinge erhalten sollte. Am Stadtrand in eher ländlichen Strukturen halte ich es für problematisch, eine große Zahl von Flüchtlingen an einem Standort zu ballen.
Wie vielen Flüchtlingen haben Sie in den vergangenen 25 Jahren geholfen?
Ich schätze, dass ich im Jahr zwischen 3000 und 4000 Menschen begleitet habe, die Zahl ist auch deshalb so groß, weil viele Großfamilien darunter sind.
Welche Schicksale bleiben nach all den Jahren hängen?
Ich denke da an einen iranischen Flüchtling, der zutiefst deprimiert bei mir ankam, weil sein erster Asylantrag abgelehnt wurde. Ich habe ihn aufgebaut und ihn so gebrieft, dass er ohne Anwalt zur Asylfolgeantragsstellung nach Karlsruhe gefahren ist. Dort hat er den Bleibestatus bekommen. Danach wurde auch sein Diplom aus dem Iran anerkannt. Heute arbeitet er als Sozialarbeiter bei der Caritas.
Wem konnten Sie nicht helfen?
Für die allermeisten Flüchtlinge konnte ich ein Bleiberecht erwirken. An meine Grenzen kam ich bei einem jungen Roma aus Mazedonien. Jeder in der Flüchtlingsarbeit kannte den quirligen Mann. Vor ein paar Jahren wurde er mit Frau und drei Kindern abgeschoben, während ich im Urlaub war. Wir haben ihm vom AK Asyl aus immer mal einen kleinen Obolus geschickt. Als wir das letzte Mal von ihm hörten, hat er in einem kleinen Schäferwagen gelebt und geklagt, dass es weder vor- noch zurückgehe.
Wo sehen Sie im Moment die größten Probleme in der Flüchtlingsarbeit?
Wir bekommen unmittelbar zu spüren, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu wenig Anhörer hat. Hinzu kommt, dass verfügt wurde, aussichtslose Asylanträge von Menschen aus den Balkan-Staaten vorzuziehen. Alle anderen gehen in die Warteschleife. Ich habe ständig Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Iran oder Syrien bei mir, die seit zweieinhalb Jahren hier sind. Obwohl sie eine ordentliche Chance auf eine Anerkennung hätten, hatten sie noch keine Anhörung. Ich begleite einen Eritreer, der an Schuldgefühlen leidet, weil er auf dem Mittelmeer zuschauen musste, wie eine Frau mit ihrem Kind im Mittelmeer ertrank und er nicht helfen konnte. Mit solchen Horrorgeschichten kommen die Menschen an. Zwei Jahre Warten sind eine zusätzliche Qual.
Flüchtlinge können jetzt nach drei Monaten arbeiten. Bringt dies Verbesserungen?
Die Umsetzung ist schwer. Das Jobcenter sagt, es gibt Deutsche und EU-Bürger, die zuerst dran kommen. Außerdem können die Flüchtlinge kein Deutsch. Für einen öffentlich geförderten Sprachkurs braucht man jedoch einen Aufenthaltstitel. Es wäre deshalb wichtig, dass auch die Flüchtlinge mit guten Anerkennungschancen, die in der Warteschleife sind, den Sprachkurs machen dürfen.