Nur unter den Menschen, die damals mehr als das Fünfzigfache der natürlichen Hintergrundstrahlung in Deutschland abbekamen, also mehr als hundert Millisievert, beobachten die Forscher eine deutliche Erhöhung der Krebsrate. Dort, wo die Belastung viel niedriger ist, wie um die Asse oder Krümmel, müssen die Strahlenmediziner "extrapolieren", das heißt, die Zahl der möglichen Krankheitsfälle rechnerisch ermitteln. "Wir wissen aber nicht, wie wir das tun sollen", sagt Zitzelsberger.

 

Hat zum Beispiel ein Zehntel der Strahlendosis zur Folge, dass die Zahl der Krankheitsfälle auf ein Zehntel sinkt? Oder wäre diese lineare Extrapolation zu einfach? Beobachtungen dazu gibt es nicht, denn Leukämie, Schilddrüsenkrebs, Tumore und andere langfristige Strahlenfolgen können viele andere Ursachen haben. Dennoch: für die Forschung ist es völlig unplausibel, dass Gesundheitsschäden, die in Nagasaki und Tschernobyl erst bei dreistelligen Millisievertwerten aufgetreten sind, in Deutschland allein auf Strahlenwerte zurückgehen sollen, die weit darunter liegen.

Die Opfer der Atombombenabwürfe haben in einem kurzen Moment hohe Strahlendosen abbekommen, die den ganzen Körper betroffen haben. Im Unterschied dazu sind Menschen etwa um Tschernobyl längere Zeit niedrigerer Strahlung ausgesetzt gewesen und haben unter Umständen verstrahlte Lebensmittel zu sich genommen. "Das ist nicht das Gleiche", sagt Zitzelsberger. So müssen die Opfer von Tschernobyl und jetzt auch Fukushima eher mit Gesundheitsschäden durch radioaktives Jod in der Schilddrüse und Cäsium in den Muskeln rechnen. Die Schäden konzentrieren sich dabei auf einzelne Organe.