Am Donnerstag beraten Bund und Länder über ein Standortgesetz für Atommüll. Schon vorher gehen die politischen Emotionen hoch.

Stuttgart - Formal hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) seine Hausaufgabe gemacht, ein Entwurf für ein Endlagergesetz liegt vor. Aber bei der erneuten Gesprächsrunde von Bund und Ländern wird er vermutlich so heftig diskutiert, dass das Papier „wohl für die Mülltonne“ ist, wie Umweltexperten in Berlin meinen. Geht es nach Röttgen, könnte das Gesetz Mitte des Jahres verabschiedet werden – zumindest beim straffen Zeitplan ist er mit SPD und Grünen einer Meinung.

 

Der Entwurf sieht vor, ein Bundesinstitut für die Endlagerung zu schaffen, das die wissenschaftlichen Kriterien für eine Standortauswahl festlegt, mögliche Regionen auswählt und am Ende genehmigen wird. Ein eigenes Kapitel befasst sich mit der Bürgerbeteiligung. Sie soll sich auf einer Internetplattform und auf Versammlungen abspielen, deren Verlauf protokolliert wird. Aber eine Mitsprache, sagen Kritiker, hätten die Bürger nicht.

Auch wenn Röttgen betont, er sei offen für Änderungen und am Konsens interessiert: Es besteht Misstrauen in der Opposition. „Wenn wir das Gefühl bekämen, das entpuppt sich als Showveranstaltung, wäre das schwierig“, sagt Eveline Lemke, grüne Wirtschaftsministerin in Mainz, die die rot-grüne Haltung koordiniert.

Angst vor den Atomfreunden

Kritisch hinterfragt wird, ob mit der neuen Behörde das Bundesamt für Strahlenschutz entmachtet werden soll. Atomfreunde im neuen Amt könnten ein offenes Suchverfahren und eine hohe Bürgerbeteiligung verhindern, fürchtet Lemke. Röttgen will zudem an der weiteren Erkundung des Salzstocks in Gorleben festhalten, wo schon 1,6 Milliarden Euro verbaut wurden.

Im Gegensatz dazu fordern Grüne und SPD einen sofortigen Bau- und Erkundungsstopp. Allerdings hat das Thema Gorleben in beiden Parteien zur Zerreißprobe geführt. Man habe da einen „klitzekleinen Streit“, bekannte Grünen-Chefin Claudia Roth. Während Umweltverbände und die niedersächsischen Grünen Gorleben bei einer neuen Suche von vornherein ausschließen wollen, da der Standort verbrannt sei, tun das die Bundesgrünen nicht.

Bei der SPD geht es ähnlich zu: Zwar hat der Parteitag im Dezember den Salzstollen im Wendland von vornherein zum Tabu erklärt; in einem Beschluss der Bundestagsfraktion heißt es aber: „Die Standortauswahl wird nicht vorab beschränkt.“

Linke attackiert Merkel

Die SPD-Umweltexpertin Ute Vogt begründet die Wende: Dem Herzen nach sei sie für den Parteitagsbeschluss: „Der Standort Gorleben ist tot. Man wird dort eine Bürgerbeteiligung nicht nachholen können.“ Aber es stelle sich die Frage der Rückzahlung der Erkundungskosten, wenn man Gorleben „aus politischen Gründen“ von der Suche ausschließe. Führten geologische Gründe zum Ausschluss, müssten die AKW-Betreiber zahlen.

Bei der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg stößt das Kostenargument auf Unverständnis: „Mit unserem Widerstand haben wir die Bevölkerung davor bewahrt, Atommüll in ein marodes Bergwerk einzulagern“, sagt Sprecherin Kerstin Rudek. Was Gorleben anbelangt, fuhr die Linkspartei am Dienstag schwere Geschütze gegen die frühere Umweltministerin Angela Merkel auf: Sie habe die Öffentlichkeit 1995 mit ihrem Bekenntnis zum Standort Gorleben „vorsätzlich getäuscht“. Zurückhaltend äußert sich die Landesregierung in Stuttgart. Röttgens Papier sei ja noch „im Diskussionsstatus“, heißt es im Umweltministerium. Nach Berlin schicken die Stuttgarter einen Ministerialdirektor zum Arbeitsgespräch.