Bei den Atomverhandlungen in Wien vertreten Israel und Russland konträre Standpunkte. Die Interessenlage der beiden Länder ist völlig verschieden.

Moskau/Jerusalem - Der Iran, so ein russischer Diplomat, sei derzeit „eine der am meisten unterbewerteten Aktien der globalen Politik“. Fallen die Sanktionen, werde das Land durchstarten. Gemeinsam könnten Moskau und Teheran ihren Einfluss im Nahen und im Mittleren Osten erheblich aufstocken: durch effizientes Krisenmanagement in Syrien, im Irak und in Afghanistan. Auch bei der Beilegung schwelender Konflikte im Südkaukasus und in Zentralasien würde Moskau lieber mit Iran als mit der Türkei kooperieren.

 

Wirtschaftlich könnte Moskau ebenfalls erheblich vom Iran-Geschäft profitieren. Anfang November unterzeichneten Russland und Iran einen Vertrag über die Lieferung von zwei weiteren Reaktoren für das von Russland 2013 gebaute iranische Kernkraftwerk Buschir und eine Absichtserklärung zum Bau neuer Meiler in der Islamischen Republik. Dazu kommen ambitionierte gemeinsame Energie- und Verkehrsprojekte. Absichtserklärungen für Vorhaben im Wert von jährlich 2,5 Milliarden US-Dollar wurden unterzeichnet.

Israel warnt vor einem schlechten Deal

Im Atomkonflikt mit Teheran hat Israel von jeher die Rolle der Kassandra gespielt. „Einen letzten Warnruf“, nannte Juval Steinitz, der Minister für Strategische Angelegenheiten, jetzt seinen Appell an die Unterhändler in Wien: „Unterzeichnet keinen schlechten Deal.“ Steinitz, ein enger Vertrauter von Israels Premier Benjamin Netanjahu, ist überzeugt, dass – so wie die Dinge liegen – nur die Wahl bleibe zwischen einem schlechten Deal und gar keinem Deal.

Israel befürchtet, dass Teheran seine Zentrifugen behält und damit ein Schwellenstaat zur Atommacht bleibt. Das sei das Ziel des Regimes, „dem weltweiten Nummer-eins-Sponsor von Terror“, so Steinitz. Die Gefahr, die von dem atomaren Schwellenstaat Iran ausgehe, hält er für sehr groß: „Das wird die Welt verändern“ – vor allem den Nahen Osten, da Ägypten, Algerien, Saudi-Arabien und die Türkei in einen nuklearen Wettlauf treten würden. Israels Forderung, der Iran müsse neben den Zentrifugen die gesamte Infrastruktur demontieren, ist wenig realistisch.