Der Vorstoß aus Baden-Württemberg setzt die Bundesregierung unter Druck. Ihre Atomwende wird damit nicht erleichtert.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Nachhaltigkeit zählt zu den Lieblingsvokabeln des Bundesumweltministers Norbert Röttgen (CDU). Er hält sich geradezu für einen Musterknaben in Sachen Nachhaltigkeit. Sein Paradebeispiel heißt Gorleben. Seit 30 Jahren wird darüber nachgedacht, dort ein Endlager für nukleare Abfälle einzurichten. Unter Rot-Grün wurde die Erkundung in Gorleben vor zehn Jahren gestoppt, Norbert Röttgen hat sie wieder in Gang gebracht. Allein diese Entscheidung rechnet er sich schon als Erfolg an. Er lehnte es allerdings ab, die Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort flächendeckend neu zu beginnen.

 

Diese Position gerät nun ins Wanken. Der Vorstoß aus Baden-Württemberg ermöglicht eine Erkundung, die sich nicht auf Gorleben beschränkt. Das setzt Röttgen unter Druck, nicht erst ein paar Jahre dort weiterzuforschen und am Ende gar mit leeren Händen dazustehen. Die grün-rote Initiative kommt für die Gorleben-Gegner zu einem günstigen Zeitpunkt: Auch die FDP in Niedersachsen forderte jüngst einen Neuanfang in der Endlagersuche. Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) verlangt nun einen Vergleich des Salzstocks Gorleben mit anderen potenziellen Standorten. "Auch wenn der Salzstock geeignet ist, muss man ihn dann mit anderen potenziellen Standorten vergleichen. Wettbewerb belebt das Geschäft", sagt der FDP-Politiker.

Neuer Anlauf für die Endlagerfrage

Der Vorsitzende der Entsorgungskommission der Regierung, Michael Sailer, sieht angesichts des bis Mitte Juni geplanten neuen Atomgesetzes für einen schnellen Atomausstieg den Zeitpunkt gekommen, die Endlagerfrage neu aufzurollen. "Wenn man ein neues Atomgesetz macht, sollte da reingeschrieben werden, dass man einen Fahrplan für die Endlagerung braucht", sagt Sailer. Es sei absolut notwendig, dass man in den nächsten 20, 25 Jahren zu einem Endlager komme. Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, plädiert dafür, in der gesamten Republik "alle möglichen geologischen Bedingungen ins Auge" zu fassen. Er halte es für ein "ganz wichtiges und starkes Signal", dass sich erstmals ein Bundesland über Niedersachsen hinaus dazu bekenne, für die Entsorgung der Abfälle des Atomzeitalters Verantwortung zu übernehmen.

Aus der schwarz-gelben Koalition in Berlin kommt jedoch Gegenwind. Der CSU-Abgeordnete Christian Ruck, als Fraktionsvize der Union für die Umweltpolitik zuständig, sagte der Stuttgarter Zeitung, er halte es für vorrangig, das Verfahren in Gorleben erst einmal wie geplant zu Ende zu führen, "bevor man schon wieder ein neues Fass aufreißt". Falls Gorleben sich als nicht ideal herausstellen sollte, sei immer noch Zeit genug, "landauf, landab die Leute rebellisch zu machen". Er halte es für geboten, bei diesem Thema "das Gegacker einzustellen" und in der Sache voranzukommen, mahnte Ruck. Das Bundesumweltministerium sah sich am Dienstag nicht imstande, eine Anfrage zu dem Vorstoß aus Baden-Württemberg in Sachen Atomendlager zu beantworten.