Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

All dies könnte die Beschäftigten direkt treffen, so die Furcht, weshalb auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mittlerweile mehrheitlich auf Distanz zu Stadler gehen. Der offene Bruch ist bisher wohl nur deswegen nicht erfolgt, weil der Betriebsrat befürchtet, Kostendrücker wie den nahezu verhassten VW-Markenvorstand Herbert Diess als Stadler-Nachfolger aufs Auge gedrückt zu bekommen. Die IG Metall in Neckarsulm mag sich zu all dem nicht äußern – ein beredtes Schweigen. Es hängt nicht nur mit der üblichen Arbeitsteilung von Gewerkschaft und Betriebsrat zusammen. Auch will jetzt niemand noch Partei für Stadler ergreifen. Audi-Gesamtbetriebsratschef Peter Mosch immerhin hält die Kommunikationsstrategie des Unternehmens für nicht zufriedenstellend.

 

Selbst ohne neue IG-Metall-Einlassungen verkürzt jede weitere Hiobsbotschaft den Verbleib von Stadler im Amt. Dazu gehört die Reiberei mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Dieser hatte vorige Woche eine „unzulässige Abgas-Software“ in den Oberklasse-Modellen Audi A8 und A7 mit V6- und V8-Dieselmotoren festgestellt, wonach bei 24 000 Autos der Ausstoß an gesundheitsschädlichen Stickoxiden (NOx ) höher ist, als es die Abgasnorm Euro 5 erlaubt. Nach Audi-Darstellung liegt ein Fehler in der Getriebesoftware zugrunde, keine gezielte Manipulation. Audi will selbst für Aufklärung gesorgt haben: Man habe bisher sechs Millionen Getriebe durchgearbeitet und bei 24 000 Autos in Europa „Auffälligkeiten gefunden“, sagte Stadler. Demnach wurden diese Erkenntnisse Ende Mai dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) übermittelt. Bereits am 1. Juni trat Dobrindt damit vor die Medien – nachdem er VW-Chef Müller vorab informiert hatte.

Unverständnis für Reiberei mit Dobrindt

Dass Stadler den CSU-Politiker dennoch anging und ihm Wahlkampf-Manöver unterstellte („Dass Herr Dobrindt allein vorprescht, hat mich persönlich sehr enttäuscht“), wurde im Konzern mit großem Unverständnis beobachtet. Stadler sei „etwas übers Ziel hinausgeschossen“, sagte ein VW-Sprecher – gewiss auf Anraten von ganz oben. Derart öffentlich angezählt zu werden, ist so ungewöhnlich wie symptomatisch. Vom „Verlust an Realitätssinn“ und „Ignoranz“ ist im Umfeld des Aufsichtsrates die Rede, weil Stadler ausgerechnet Dobrindt angegriffen hat, der wegen eines angeblich liebedienerischen Kurses gegenüber der Automobilindustrie seit Längerem in der Kritik steht.

Bekannt wurden seither auch Abweichungen der Kohlendioxidwerte bei 2000 A8-Fahrzeugen mit Zwölfzylinder-Motor. Derweil hat der von der US-Justiz eingesetzte „Compliance-Monitor“, Larry Thompson, sein Amt in Wolfsburg angetreten und gleich angekündigt, auch Audi unter die Lupe zu nehmen. Der frühere US-Staatssekretär soll sicherstellen, dass sich Betrügereien wie bei „Diesel-Gate“ nicht wiederholen und dass sich der Konzern an seine Zusagen gegenüber den US-Behörden hält. Sein Job ist vorerst auf drei Jahre angelegt. Dafür hat der Aufpasser ein 20-köpfiges Team zur Verfügung, das noch auf 60 Mitarbeiter erweitert werden könnte.