Die Pilz-Bestimmung per Smartphone soll die Suche mit dicken Büchern ersetzen. Funktioniert das wirklich? Unterwegs im Wald bei Murrhardt mit zwei Pilzsachverständigen.

Murrhardt - Die Pilzsuche mit dem Smartphone hätte es fast nicht gegeben. „Es war im Juli, August und September viel zu trocken. Ein maues Pilzjahr“, sagt Berthold Burkhardt. Erst seit ein bis zwei Wochen sieht es am Waldboden besser aus. Vor allem Steinpilze sprießen, dass es eine wahre Freude ist. Aber die bleiben links liegen. Zu einfach. Mit Berthold Burkhardt und Manfred Klitzner geht es auf die Suche, um eine Pilz-App zu testen. Die beiden Experten bringen neben ihrer jahrzehntelangen Erfahrung auch Bestimmungsbücher mit. „Zweifel gibt es ist immer wieder“, sagt Klitzner. Und das ist auch gut so. Ein giftiger Pilz im Korb genügt, dass später in der Pfanne die letzte Mahlzeit schmort.

 

Auf das Smartphone ist die App „Meine Pilze“ geladen. Solche Apps gibt es inzwischen wie Pilze im Wald, die gewählte hat bei einem Test der Deutschen Gesellschaft für Mykologie am besten abgeschnitten. Allerdings wurde nur die kostenfreie Lightversion heruntergeladen – es stehen auch noch weitere, ausführlichere Versionen zur Verfügung, die bezahlt werden müssen.

Am weißen Büschelrasling scheitert der Nutzer

Die Handhabung der App ist an sich einfach. Zu jedem Merkmal – Hut, Stiel, Fleisch, Standort, – werden verschiedene Eigenschaften abgefragt. „So, mit diesem hier können Sie gleich mal anfangen“, sagt Berthold Burkhardt und drückt der Pilzanfängerin kleine weiße Pilze vom Wegesrand in die Hand. Nun, dass dieses Exemplar Lamellen besitzt, lässt sich leicht erkennen. Aber stehen diese nun dicht beieinander oder doch weiter auseinander? Ist der Hut abgeflacht oder gewölbt? Und fühlt sich die Oberfläche glatt an oder doch klebrig? Die Unsicherheiten spiegeln sich im Ergebnis wider: Das passt überhaupt nicht zu dem Pilz. Die Profis müssen nicht mal in ihr Buch schauen. „Das ist ein weißer Büschelrasling. Seit ein paar Jahren gilt er als giftverdächtig. Deswegen sollte man immer mit aktuellen Bestimmungsbüchern arbeiten“, sagt Klitzner. Gut zu wissen.

Auch die Pilzsachverständigen lernen nie aus. Obwohl Berthold Burkhardt wirklich oft im Wald unterwegs ist, ist die Pilzsuche kein Selbstläufer. „Ich gehe am Anfang vom Jahr immer ein paar Mal raus, um wieder Übung zu bekommen. Pilze lernt man nur durch ständige Wiederholung kennen“, sagt der 79-Jährige.

Erfolg mit dem Fichtenreizker

Nun, beim nächsten Pilz kann man nicht viel falsch machen. Hut, Stiel, Fleisch, Lamellen – alle Teile sind leuchtend orange. Irgendwann auch die eigenen Finger. Der Pilz sondert eine orangefarbene Milch ab. „Das ist ganz tpisch für Milchlinge“, sagt Klitzner. Auf dem Display erscheint der Fichtenreizker bei einem Suchergebnis mit einer 80-prozentigen Übereinstimmung. Treffer! Allerdings fast der einzige. Schönfußröhrling, falscher Pfifferling oder Speitäubling und andere bleiben unerkannt oder erscheinen bei einem Suchergebnis mit einer etwa 50-prozentigen Übereinstimmung. Das ist nicht gerade viel, gerade wenn es um giftig oder nicht giftig geht.

Alter und Witterung lassen Pilze oft anders aussehen

Das Problem ist vor allem, dass der Laie oft nicht weiß, welche Eigenschaft wirklich zutrifft. So etwa beim Goldröhrling. Das Exemplar in der Hand sieht aus, als habe es keinen Ring um den Stiel. Und der Hut fühlt sich klebrig an. Beides falsch. „Wenn die Pilze jung sind, kann man den Ring deutlich sehen, er bildet sich dann etwas zurück. Und weil es so trocken ist, fehlt die typisch schleimige Oberfläche“, erläutert Klitzner. Sobald der Profi bei der Eingabe hilft, spuckt die App auch das richtige Ergebnis aus. Manchmal kann eine entscheidende Eigenschaft nicht eingegeben werden: Standort auf Bäumen fehlt gänzlich in der Merkmalsuche.

Für Pilzsucher mit Erfahrung ist die App sicherlich ein gutes Hilfsmittel, für Anfänger eher mit Vorsicht zu genießen. Zu Gute halten muss man der App allerdings, dass auf Verwechslungen hingewiesen wird. Und so schreibt auch die Deutsche Gesellschaft für Mykologie: lieber mit App unterwegs als ohne ein Hilfsmittel.