An den Standorten Ulm, Friedrichshafen und Unterschleißheim sind Tausende von Airbus-Mitarbeitern von der Ausgliederung der Rüstungssparte betroffen. Die IG Metall ist vom Ausmaß überrascht, die Betriebsräte befürchten eine Zerschlagung der Strukturen.

München - Das Rüstungsgeschäft bleibt für den europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus eine Großbaustelle. Während seine Passagierflugzeuge immer neue Höhen erklimmen, rückt nun ein Teilverkauf der Rüstungsaktivitäten näher, bestätigte Konzernchef Thomas Enders am Freitag zur Bilanzvorlage in München. Betroffen sind große Teile des Standorts Ulm, die Hälfte der Aktivitäten in Friedrichshafen und Teilbereiche in München. „Die Ausgliederung läuft, gut 100 Interessenten haben ihre Hand gehoben, das Interesse im Markt ist groß“, betonte Enders. Man nehme nun Kontakt mit Investmentbanken auf. Ein Verkauf der nicht mehr zum Kerngeschäft zählenden Aktivitäten werde 2015 Fahrt aufnehmen, stellte Vorstandskollege Marwan Lahoud klar. „Das wird ein hartes Jahr für die Leute bei Verteidigung und Raumfahrt“, warnte Enders die Belegschaft vor.

 

Nach dem laufenden Abbau von allein hierzulande 2600 Stellen in den Airbus-Rüstungsbereichen sind Verkäufe der zweite Schritt, um die Problemsparte zurechtzustutzen. Früher sollte sie einmal zum zweiten Standbein ausgebaut werden. Nun ist Airbus auf dem Rückzug. Die IG Metall zeigte sich von den Verkaufsplänen überrascht. Betriebsräten und Gewerkschaftern gegenüber sei bislang auch von Partnerschaften oder einem Verbleib der vor ihrer Ausgliederung stehenden Bereiche unter dem Airbus-Dach als Option die Rede gewesen. Die IG Metall will von Airbus nun Klarheit: „Die Verkaufspläne haben die gesamte Belegschaft an den Standorten zutiefst verunsichert. Bisher wurden wir nur unzureichend über die Pläne informiert“, sagte Christian Birkhofer, der Vorsitzende des Betriebsrats des Verteidigungsbereichs am Standort Friedrichshafen. Eine Strategie für die Standorte sei nicht mehr zu erkennen. Eine Umstrukturierung jage die nächste, erklärte Helene Sommer, Gewerkschaftssekretärin der IG Metall.

Ulmer Betriebsräte sehen vor allem das Zerlegen von Standorten skeptisch. „Schauen wir die engen Verflechtungen am Standort Ulm und die Vernetzung zu anderen Standorten an, so haben wir Sorge, dass gewachsene und funktionsfähige Strukturen in Gefahr sind“, heißt es in einem Brief des Betriebsrats. Insgesamt geht es um die Ausgliederung von Aktivitäten vor allem im Bereich Verteidigungselektronik mit bundesweit gut 3000 Stellen, bestätigte ein Airbus-Sprecher. Am Standort Ulm sind vier Fünftel des Personals betroffen. Allein das entspricht 2000 Stellen. In Friedrichshafen ist mit 550 Arbeitsplätzen etwa die Hälfte der Belegschaft betroffen. Um eine ähnliche Dimension geht es beim Rüstungsstandort Unterschleißheim bei München, dessen Personal derzeit zudem auf andere Werke verteilt wird. Betriebsräte votieren dafür, die Standorte komplett zu verkaufen. „Lasst den Laden beieinander“, lautet der Appell an Airbus-Chef Enders.

An den betroffenen Orten wird aber auch für die Flugzeugbereiche von Airbus gefertigt und zugeliefert. Das ist für den Konzern unverkäufliches Kerngeschäft, womit Konflikte mit Personal und IG Metall programmiert sind. Zudem dürfte die Politik ein Wort mitreden.

Die Gewerkschaft kann keine Strategie erkennen

Zu der vom Verkauf betroffenen Verteidigungselektronik gehören sensible Bereiche wie Verschlüsselungs- und Sensortechnik, Grenzsicherungsanlagen sowie die Radartechnik aus Ulm. Die Verteidigungselektronik ist allerdings einer der wenigen Wachstumsbereiche der sonst unter Auftragsmangel leidenden Airbus-Rüstungssparte. „Da muss man uns erst mal erklären, warum ein Verkauf der Verteidigungselektronik strategisch Sinn macht“, meinte ein Gewerkschafter und verwies auf die Airbus-Tochter Premium Aerotec. Auch die sollte einst abgegeben werden, der Verkauf wurde dann aber abgeblasen. Die Belegschaft werde immer stärker verunsichert und schlecht informiert, kritisieren Gewerkschafter.

Für Ungemach sorgt bei Airbus auch der Militärtransporter A400M. Für das bereits vier Jahre hinter ursprünglichen Zeitplänen liegende Projekt sind nun noch einmal 551 Millionen Euro Sonderlasten angefallen, räumte Enders ein. Zuvor hatte er das zuständige Management ausgewechselt. 161 Mängel hatte das Bundesverteidigungsministerium jüngst am A400M beanstandet, der pro Stück 175 Millionen Euro kostet. Auf weit über vier Milliarden summieren sich für Airbus mittlerweile die Abschreibungen für das Krisenprojekt. Enders hofft, dass es in diesem Jahr keine weiteren außerplanmäßigen Kosten verursacht. Versprechen wollte er das aber nicht. Rund 16 Exemplare des Fliegers sollen 2015 ausgeliefert werden, 20 Stück waren ursprünglich geplant.

Völlig überstrahlt werden die Probleme im Militärbereich, zu denen auch der Hubschrauber NH 90 zählt, allerdings von den alles dominierenden und boomenden Airbus-Passagierflugzeugen. Das soll auch so bleiben, weshalb Enders für 2015 neue Rekorde für Konzernumsatz und Auftragsbestand sowie steigende operative Gewinne angekündigt hat. Voriges Jahr waren die Umsätze um fünf Prozent auf knapp 60 Milliarden Euro geklettert, während der operative Gewinn um gut die Hälfte auf vier Milliarden Euro sprang. Aktionäre können sich über eine von 75 Cent auf 1,20 Euro erhöhte Dividende freuen. Der Auftragsbestand hat 857 Milliarden Euro erreicht, was die Produktion rechnerisch ein Jahrzehnt auslastet. Konzernweit beschäftigte Airbus Ende 2014 gut 138 600 Mitarbeiter.