Freude beim Landesmuseum Württemberg: Bei Ausgrabungen im Römerkastell kam jetzt eine Figur zum Vorschein, die zu einem bereits vor mehr als 100 Jahren entdeckten anderen Fund passt. Sie erzählt von der römischen Geschichte der Stadt.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

„Gigant“ ist ein großes Wort für eine kleine Figur, doch genau darum handelt es sich bei einem seltenen Fund, der jetzt Forschern im Römerkastell gelungen ist. Seit Anfang des Jahres finden dort Ausgrabungen statt. Sie stehen im Zusammenhang mit der geplanten Erweiterung der Altenburgschule. Wie das Landesmuseum Württemberg am Freitag mitteilte, entdeckte ein Mitarbeiter der dort tätigen Firma ArchaeoBW jetzt eine stark verwitterte, 30 Zentimeter große, kniende Figur mit menschlichem Kopf, deren Beine in eine Art Schlangenleib übergehen.

 

Für Andreas Thiel, den leitenden Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, steht fest: „Bei der Figur handelt es sich um ein Mischwesen der römisch-germanischen Götterwelt, einen sogenannten Giganten. Er war einst Teil einer öffentlich aufgestellten Jupiter-Giganten-Säule.“ In der Zeit zwischen 100 und 150 n. Chr. befand sich auf dem Gelände ein Kastell für eine römische Reitereinheit, von 260 n. Chr an dann eine ausgedehnte römische Siedlung.

Das Landesmuseum Württemberg wertet den Fund als bedeutend: „Er passt zu einem Fund, der schon vor mehr als 100 Jahren zu Tage kam“, heißt es von dort. „Als wir von der Neuentdeckung hörten, haben wir sofort an ein weiteres Teil einer Jupiter-Giganten-Säule gedacht“, sagte die Leiterin der Abteilung Archäologie, Astrid Fendt: „ Zu deren Sockel gehörte in der Regel ein sogenannter Viergötterstein. Bei uns im Depot gibt es einen solchen Stein mit den Darstellungen der römischen Gottheiten Merkur, Juno, Hercules und Minerva.“ Er stamme aus einem Brunnen am Rande der jetzt aktuell gegrabenen Fläche und wurde bei den Grabungen 1908 gefunden.“

Der alte und der neue Fund: Viergötterstein (links) und Gigant. Foto: Landesmuseum Württemberg

„Weiteres Puzzleteil der römischen Vergangenheit Stuttgarts“

Dass der neu gefundene Gigant mit einem im Landesmuseum lagernden Fragment in Verbindung gebracht werden kann, „ist ein großer Glücksfall“, erklärte eine Museumssprecherin. Dadurch sei es möglich, eine Jupiter-Giganten-Säule zu rekonstruieren, die einst im Bereich einer wichtigen Straßenkreuzung der römischen Siedlung von Bad Cannstatt aufgestellt war. Das Museum sprach von einem „weiteren Puzzleteil der reichen römischen Vergangenheit Stuttgarts“.