Türkische Männer aus der Region zeigen bei einer Ausstellung in der Diakonie Gesicht und reflektieren Rollenbilder.

Stuttgart - Drei türkische Musiker unterhalten ein deutsches Publikum mit einen italienischen Partisanenlied. Das berühmte „Bella Ciao“ wird begleitet von einem orientalischen Ud – einer Laute, die aussieht wie eine halbierte Birne. Vielleicht gelingt es deshalb nur wenigen vor dem Podium bei der türkischen Version im Takt mit zu klatschen. Die Deutschen wollen etwas lernen über die türkische Migrantenfamilie. Sie erscheint zumindest in der öffentlichen Debatte der Mehrheitsgesellschaft ja oft so fremd wie die Töne des Ud.

 

26 türkische Väter zumeist aus dem Raum Böblingen geben bis zum 13. Juli im Diakonischen Werk Einblick, wie sie selbst ihre Rolle als Väter in ihren Familien definieren. Die Mitglieder einer Vätergruppe haben sich fotografieren lassen mit einem Pappschild in der Hand. Auf ihnen stehen Name, Alter - und ein Bekenntnis. Yilmaz Sogut, 42, schreibt, dass er seinen Kindern Zeit, Liebe und Geborgenheit geben will. Ziyram Gül, 36, möchte seinen Kindern ein Wegbegleiter sein.

Die Männergruppe geht auf eine Idee türkischer Frauen zurück

Die Idee zu den Fotografien in Schwarz-Weiß entstand in der Böblinger Männergruppe. Ihre Existenz hat die Gruppe wiederum den türkischen Frauen zu verdanken. Petra Pfendtner, Leiterin des Netzwerks Interkulturelle Arbeit (NIKA), schildert, wie die Ehefrauen die Idee hatten, es müsse endlich auch mal etwas für ihre Männer getan werden.

Im Jahr 2008 war es soweit: Zwei Sozialpädagogen boten im Raum Böblingen die erste offene Gesprächsrunde für Väter aus der Türkei an.

Daimler, Porsche, Bosch – die Namen großer Unternehmen spielen eine entscheidende Rolle im Leben der Böblinger Väter. Nicht nur, weil auch sie meist in der Industrie arbeiten, wie es bereits die Generation davor getan hat. Die Migration nach Deutschland hat vielen Türken die Väter genommen, sagt der Sozialpädagoge Seyhan Tasdemiroglu. Entweder ließen die Einwanderer ihre Familien noch lange Zeit in der Türkei zurück. Oder sie haben die Kindheit ihrer Söhne dann in Deutschland bei der Schichtarbeit verpasst. „Weil die Vorbilder in der Familie fehlen, tun sich die türkischen Väter mit der Erziehung häufig schwer“, sagt er.

Wie lassen sich Job und Familie vereinbaren

Hidir Cengil hat von seinem eigenen Vater oft gehört: „Lass mich in Ruhe, ich bin müde.“ Seit 2010 macht er bei der Böblinger Vätergruppe mit. „Was ich erlebt habe, möchte ich meinen Kindern niemals antun“, sagt er. Für ihn und die anderen Väter sei die gute Ausbildung der Kinder wichtig. Außerdem diskutiere die Gruppe, wie sich Job und Familie vereinbaren lassen, sagt er. Die türkische Migrantenfamilie ist der Mehrheitsgesellschaft vielleicht doch nicht ganz so fremd.