Ein großer Gewinn sind auch die Prosaskizzen von Alexander Kluge im Katalog. Ohne sich auf Bildbeschreibungen im engeren Sinne einzulassen, vertieft der Autor die Malerei durch assoziative Erinnerungsbilder über Brutalität und Absurdität des Krieges. Vor allem ein wiederkehrendes Begleitrequisit auf vielen Gemälden, die hölzerne Schubkarre, wird dank Kluge erschreckend konkret: mit solchen Karren wurden die Erschossenen zu den Massengräbern, die Vergasten in die Öfen gebracht.

 

Doch die „Helden“ sind nicht nur Wiedergänger des Krieges, sondern auch geschundene Kinder der deutschen Nachkriegsfrage und eng mit Baselitz‘ eigener Biografie verknüpft. Wegen „gesellschaftspolitischer Unreife“ war der Sachse in den 50er Jahren vierkantig von der Ostberliner Kunsthochschule geflogen.

Im Westteil der Stadt, wo er sein Studium beim Informel-Granden Hann Trier fortsetzte, stellte der Student enttäuscht fest: In ästhetischen Fragen bot die vermeintliche Freiheit der BRD nur eine andere Form von Abhängigkeit. Er ahnte, was man heute weiß: Dass die westdeutsche Nachkriegsabstraktion massiv von den Amerikanern protegiert wurde, die in jeder Form figürlicher Malerei Sozialistischen Realismus und damit Feindpropaganda witterten. Und mitten in diesem Krieg der Kunstsysteme stand wie Herkules am Scheideweg der junge Baselitz.

In Frankfurt werden seine Anfänge auch als Frucht einer desorientierten Genialität erfahrbar, die nicht recht weiß, wohin mit all ihrer Schöpfungskraft, und die deshalb den Suchprozess selbst zum Thema macht. Und in diesem Durcheinanderwirbeln der Richtungen liegt das über ihre Zeit hinaus unbequeme dieser Kunst. Sie ist politisch und unpolitisch zugleich. Sie reibt sich an Ideologien wie an Vorbildern von Courbet bis Schiele und setzt dabei eine permanente Grundstörung frei. Sind es wirklich deutsche Soldaten? Einer heißt „Partisan“, ein anderer ironisch „Hirte“.

Wer ist hier Soldat, wer Künstler?

Je länger man in der Ausstellung verweilt, umso deutlicher wird, dass es sich nicht zwangsläufig um militärische Kämpfer handelt. Etwa jener einbeinige Held, der sich „Versperrter Maler“ nennt. Seine linke Hand hält Palette, Pinsel und Krücke gleichzeitig, während die Rechte blutet wie beim gekreuzigten Christus. So musste es wohl kommen: Der Künstler als Märtyrer, zurück aus dem großen Debattenkrieg zwischen Abstraktion und Figuration. Aus den Zeitbildern sind Selbstporträts geworden.

Krieg der Kunstsysteme

Ein großer Gewinn sind auch die Prosaskizzen von Alexander Kluge im Katalog. Ohne sich auf Bildbeschreibungen im engeren Sinne einzulassen, vertieft der Autor die Malerei durch assoziative Erinnerungsbilder über Brutalität und Absurdität des Krieges. Vor allem ein wiederkehrendes Begleitrequisit auf vielen Gemälden, die hölzerne Schubkarre, wird dank Kluge erschreckend konkret: mit solchen Karren wurden die Erschossenen zu den Massengräbern, die Vergasten in die Öfen gebracht.

Doch die „Helden“ sind nicht nur Wiedergänger des Krieges, sondern auch geschundene Kinder der deutschen Nachkriegsfrage und eng mit Baselitz‘ eigener Biografie verknüpft. Wegen „gesellschaftspolitischer Unreife“ war der Sachse in den 50er Jahren vierkantig von der Ostberliner Kunsthochschule geflogen.

Im Westteil der Stadt, wo er sein Studium beim Informel-Granden Hann Trier fortsetzte, stellte der Student enttäuscht fest: In ästhetischen Fragen bot die vermeintliche Freiheit der BRD nur eine andere Form von Abhängigkeit. Er ahnte, was man heute weiß: Dass die westdeutsche Nachkriegsabstraktion massiv von den Amerikanern protegiert wurde, die in jeder Form figürlicher Malerei Sozialistischen Realismus und damit Feindpropaganda witterten. Und mitten in diesem Krieg der Kunstsysteme stand wie Herkules am Scheideweg der junge Baselitz.

In Frankfurt werden seine Anfänge auch als Frucht einer desorientierten Genialität erfahrbar, die nicht recht weiß, wohin mit all ihrer Schöpfungskraft, und die deshalb den Suchprozess selbst zum Thema macht. Und in diesem Durcheinanderwirbeln der Richtungen liegt das über ihre Zeit hinaus unbequeme dieser Kunst. Sie ist politisch und unpolitisch zugleich. Sie reibt sich an Ideologien wie an Vorbildern von Courbet bis Schiele und setzt dabei eine permanente Grundstörung frei. Sind es wirklich deutsche Soldaten? Einer heißt „Partisan“, ein anderer ironisch „Hirte“.

Wer ist hier Soldat, wer Künstler?

Je länger man in der Ausstellung verweilt, umso deutlicher wird, dass es sich nicht zwangsläufig um militärische Kämpfer handelt. Etwa jener einbeinige Held, der sich „Versperrter Maler“ nennt. Seine linke Hand hält Palette, Pinsel und Krücke gleichzeitig, während die Rechte blutet wie beim gekreuzigten Christus. So musste es wohl kommen: Der Künstler als Märtyrer, zurück aus dem großen Debattenkrieg zwischen Abstraktion und Figuration. Aus den Zeitbildern sind Selbstporträts geworden.

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