Porsche will massiv in die Entwicklung neuer digitaler Angebote investieren. Sie sollen möglichst rasch zu einer starken Umsatzsäule ausgebaut werden.

Berlin - Das Porsche Digital Lab liegt im Berliner Stadtteil Friedrichshain direkt an der Spree. Alte Backsteinbauten und moderne Bürogebäude säumen das Ufer. Anders als im Porsche-Entwicklungszentrum in Weissach, wo streng von der Öffentlichkeit abgeschirmt gearbeitet wird, kann in Berlin jeder Passant durch große Glasscheiben beobachten, wie junge Leute an langen Tischen vor Computerbildschirmen sitzen. Die großen Fenster des Gebäudes haben auch eine symbolische Bedeutung. „Wir öffnen uns. Wir wollen und müssen uns aus anderen Branchen befruchten lassen“, sagt Lutz Meschke, der Finanz- und IT-Vorstand des Stuttgarter Unternehmens.

 

Der Porsche-Vizechef Meschke sieht durch das autonome Fahren große Herausforderungen auf die gesamte Branche zukommen. Vor wenigen Jahren wurden die Herausforderungen durch diese neue Technologie bei dem Stuttgarter Autobauer noch eher als zweitrangiges Thema eingestuft. Porsche müsse hier nicht an vorderster Front mitspielen, meinte etwa der frühere Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz im Interview, weil Porsche-Fahrer das Lenkrad ungern aus der Hand geben. Doch mittlerweile meint auch der Stuttgarter Autobauer, dass er sich einer Entwicklung nicht ganz entziehen kann, die das Beratungsunternehmen Roland Berger vor einiger Zeit in einer Studie skizziert hat. Demnach soll im nächsten Jahrzehnt mit dem Vormarsch von Robotertaxis der Absatz von Autos unter Druck geraten, weil zunehmend Wagen nicht gekauft, sondern einfach per App von Dienstleistern für die jeweilige Fahrt gemietet werden. Das Selberfahren werde für Porsche zwar sehr wichtig bleiben, betont Meschke, der Absatz werde nach dem Durchbruch des autonomen Fahrens aber nicht mehr so wachsen wie bisher.

Digitale Speerspitze des Unternehmens

Deshalb will Porsche nun im Eiltempo neue digitale Angebote zu einer starken Umsatzsäule ausbauen. „Wir müssen ganz schnell digitale Services entwickeln“, sagt Meschke und steckt ein ehrgeiziges Ziel. Auf mittlere Sicht sollen mehr als 30 Prozent des Umsatzes mit digitalen Angeboten erwirtschaftet werden – und dies ohne Abstriche beim Renditeziel von 15 Prozent, mit dem Porsche in der Autobranche weltweit an der Spitze steht.

Wie diese neuen digitalen Angebote aussehen sollen, lässt sich bisher allenfalls vage skizzieren. Im Grundsatz geht es zu einem großen Teil darum, aus den Kundendaten neue Angebote zu entwickeln. Denkbar wäre beispielsweise, dass es auf der Fahrt in ein Ski-Gebiet Hinweise auf Ski-Verleiher gibt oder dass Kunden auf Wunsch per Software-Übertragung für eine bestimmte Zeit mehr Motorleistung erhalten. Denkbar wäre aber auch, so Meschke, dass Porsche neue Finanzdienstleistungen entwickelt oder ein Start-up aufbaut und dann mit Gewinn verkauft. Noch läuft die Arbeit in Porsches Berliner Digital Lab in einem überschaubaren Rahmen ab. Insgesamt 14 IT-Experten arbeiten rund ein halbes Jahr nach dem Start in diesem Digital Lab quasi als Untermieter gemeinsam mit Kollegen des Ludwigsburger Management- und IT-Beraters MHP, der zu Porsche gehört. Der Autobauer will davon profitieren, dass es in Berlin eine sehr bunte Start-up-Szene gibt und zudem eine starke Präsenz von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Boris Behringer, der Leiter des Lab, sieht die Berliner Dependance als „digitale Speerspitze des Unternehmens“. Wie der 42-jährige Diplomökonom erläutert, beschäftigen sich die IT-Experten hier zur Hälfte mit Forschung rund um Megathemen wie der Cloud-Technologie, Big Data oder Künstliche Intelligenz, zur anderen Hälfte mit konkreten Anfragen, die aus den verschiedenen Fachbereichen des Autobauers kommen und die gemeinsam mit Kollegen aus diesen Bereichen bearbeitet werden.

Porsche ist auch in Israel auf Talentsuche

Das Digital Lab ist einer von mehreren Bausteinen, mit denen Porsche neue Gefilde erschließt. Ein weiterer Baustein ist die Ludwigsburger Porsche Digital GmbH, die als Scout die digitale Welt durchforsten, Pilotprojekte für neue Services entwickeln und sich auch an Start-ups beteiligen soll.

Zudem arbeitet der Autobauer mit dem Venture-Capital-Anbieter Eventures zusammen, der rund um den Globus aktiv ist und seit fast zwei Jahrzehnten junge Unternehmen mit Geld und Rat unterstützt. Dazu zählt beispielsweise der Soundsystem-Anbieter Sonos oder das US-lnternetunternehmen Groupon, das Websites mit Rabattgutscheinen betreibt.

Porsche hat sich mit einem zweistelligen Millionen-Euro-Betrag an Fonds von Eventures beteiligt und will durch diese Partnerschaft in Kontakt zu interessanten Start-ups kommen. Wie der Porsche-Finanzstratege Oliver Döring berichtet, wollen die Stuttgarter später einmal selbst einen Venture-Capital-Fonds auflegen. Im Dezember wurde zudem eine Kooperation mit der Business School HHL Leipzig School of Management vereinbart. Wissenschaftler soll hier ermöglicht werden, Ideen bis zur Geschäftsreife zu entwickeln.

Auf Talentsuche ist Porsche auch in Israel. „Israel ist ein Top-Markt für IT-Experten und Ingenieure. Pro Kopf gibt es dort mehr Start-ups als in jedem anderen Land,“ sagt Meschke. Gerade im Bereich der IT-Sicherheit gebe es in Israel eine hohe Kompetenz. Bereits im vergangenen Jahr haben Porsche Entwickler dort erste Kontakte geknüpft, die jetzt weiter ausgebaut werden sollen.