Internetportale vermitteln Neuwagen mit hohen Preisnachlässen. Jetzt wollen auch Autohersteller das Netz als Vertriebsschiene nutzen. Experten beurteilen diese Vorstöße skeptisch.

Stuttgart - Die Angebote klingen verlockend: Mehr als 30 Prozent Rabatt für einen Nissan Qashquai-Geländewagen, fast 25 Prozent für einen Opel Corsa und rund 17 Prozent für einen VW Golf. Der Neuwagenkauf im Internet bietet nach einer Untersuchung des ADAC gute Chancen für Schnäppchenjäger. Während den Testkäufern bei den Online-Vermittlern im Schnitt rund 16 Prozent Rabatt gewährt wurde, belief sich der Preisnachlass bei Händlern für diese Modelle auf etwas mehr als elf Prozent. Der ADAC hat zwölf Internetportale miteinander verglichen und dabei recht unterschiedliche Noten verteilt.

 

Testsieger wurde der Neuwagenvermittler autohaus24. Der Internetauftritt sei ansprechend und leicht zu bedienen, der Service schnell, der Preisnachlass fast durchgängig überdurchschnittlich, so die Tester. Verlierer war das Online-Portal airportcars24.de. Hier wurde moniert, dass die Rabatte weit unter dem Durchschnitt lagen. Zudem sei die Website unübersichtlich und umständlich zu bedienen und der Service nicht kundenorientiert.

Die Lieferung an einen gewünschten Ort kostet zusätzlich

Einige Internetportale lockten nach Angaben des ADAC zunächst mit ausgesprochen hohen Rabatten, die bis zum Ende der Konfiguration jedoch kräftig schrumpften. Außerdem wurden bei den Neuwagenvermittlungen zusätzliche Kosten fällig, etwa für die Abholung des Fahrzeugs oder die Lieferung an einen vom Kunden gewünschten Ort.

Beim Vertragshändler, so der ADAC, konnte man hingegen bis zum Abschluss des Kaufvertrags handeln. Wenn die Testkäufer auf die hohen Internetrabatte hinwiesen, waren viele Verkaufsberater in den Autohäusern zu weiteren Zugeständnissen bereit – sei es in Form eines zusätzlichen Rabatts oder kleiner Zugaben. Der Autofahrer-Club weist auch darauf hin, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aller Portale juristisch unwirksame Klauseln enthielten oder unvollständig waren.

Etwa jedes zehnte Fahrzeug wird mit Hilfe des Internets verkauft

Bisher wurden nach Schätzungen des Kraftfahrzeuggewerbes rund 40 000 nach dem Wunsch der Käufer individuell ausgestattete Neuwagen über Online-Portale gekauft. Genaue statistische Zahlen gibt es nicht. Rechnet man Neuwagen hinzu, die nicht individuell ausgestattet wurden, sondern schon als Lagerfahrzeuge bei den Händlern standen, so dürfte im Kraftfahrzeuggewerbe nach Schätzung von Ulrich Fromme, dem Vizepräsidenten des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe, etwa jedes zehnte Fahrzeug mit Hilfe des Internets verkauft worden sein (siehe Interview).

Der Verkauf solcher Lagerfahrzeuge, die schon länger auf dem Hof stehen, bietet nach einer Studie des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) für die Händler noch am ehesten die Chance für profitable Geschäfte, weil es hier von den Herstellern oft zusätzliche Verkaufsprämien gebe, was dem Händler mehr Spielraum bei den Preisen lasse.

Internetkunden erwarten hohe Nachlässe

Insgesamt, so Institutschef Willi Diez, sei der Verkauf mit Hilfe von Online-Vermittlern für die Händler aber ein zweischneidiges Schwert. Er biete zwar die Chance, zusätzliche Kunden zu gewinnen, aber weil diese meist nicht aus dem regionalen Verkaufsgebiet der Händler kommen, gebe es kaum Chancen, die Kunden an sich zu binden und Geld mit Wartung und Reparaturen zu verdienen. Der Service spielt bei den Erträgen jedoch eine Schlüsselrolle in der Ertragsrechnung der Autohäuser. Als schwierig wertet der Wissenschaftler auch, dass Internetkunden Nachlässe erwarten, die mit der normalen Marge, die Händler von Herstellern bekommen, eigentlich nicht angeboten werden können. „Internetkunden erwarten Nachlässe, die bei über 20 Prozent liegen“, schätzt der Autoexperte. Die Händlermarge betrage im Durchschnitt aber nur 16,5 Prozent des Listenpreises. Mit dieser Marge muss der Händler zugleich seine gesamten Verkaufskosten abdecken. Üppige zweistellige Rabatte sind da eigentlich nicht drin.

Skeptisch beurteilt IFA-Chef Diez auch den kürzlich angekündigten Einstieg der Autohersteller BMW und Daimler in den Internethandel mit Neuwagen: „Warum soll ich einen Mercedes über die Website von Mercedes kaufen? Es gibt nur einen Grund: es gibt das Auto dort billiger, als wenn ich es in der Niederlassung oder beim Vertreter kaufe.“ Genau daran hat der Wissenschaftler jedoch Zweifel. „Die Autohersteller werden die Neuwagen im Internet nicht deutlich billiger anbieten, sonst machen sie sich das Geschäft kaputt“, gibt Diez zu bedenken und weist darauf hin, dass das Neuwagengeschäft im Internet „zu 99,9 Prozent preisgetrieben ist“.

Die BMW-Händler reagieren erst skeptisch

Bei den Händlern hat der Einstieg der Hersteller in den Internethandel recht unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Während die deutschen Mercedes-Händler die Ankündigung von Pilotversuchen gelassen nahmen und erst einmal die Ergebnisse dieses Tests abwarten wollen, schien es zunächst so, als ob die BMW-Händler Sturm gegen den Einstieg des Autobauers in den Internethandel liefen.

„Wir haben BMW unmissverständlich gesagt, dass direkte Verkaufskanäle von uns abgelehnt werden“, wurde Werner Entenmann aus Esslingen, der Sprecher der BMW-Händler, in der „Wirtschaftswoche“ zitiert. Doch mittlerweile haben sich die Wogen offenbar wieder geglättet. Eine BMW-Sprecherin betont, dass der Internethandel nur für die neuen Elektroautos wie den i3 gelte und keineswegs für sämtliche Modelle der weiß-blauen Marke geplant sei.

Entenmann erklärt heute seine Reaktion mit einem Missverständnis. Es sei mittlerweile klargestellt worden, dass diese Geschäfte keineswegs an den Händlern vorbeigehen. Der Autohandel sei vielmehr eingebunden. Der Händler erhält (wie bei Daimler) eine Provision, wenn er das beim Hersteller über das Internet verkaufte Auto an den Kunden übergibt.