VDA-Präsident Wissmann hat sich mehr Selbstreflexion in der Autoindustrie gewünscht. StZ-Autor Michael Heller gibt ihm Recht – freilich nicht, soweit es das Thema Kartell betrifft, sondern den Dieselskandal.

Stuttgart - Matthias Wissmann hat womöglich nur den falschen Kontext gewählt. Als der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) im Juli davon sprach, dass sich die Autobranche kritischen Fragen offener stellen und mehr Selbstreflexion üben müsse, da ging es um den Verdacht von Kartellabsprachen zwischen Daimler, BMW, VW, Porsche und Audi. Zur Einordnung: Es gibt in dieser Sache noch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren. Verständlich, dass Daimler-Chef Dieter Zetsche seine Verärgerung da nur mühsam mit den Worten verbergen konnte: „Ich bin überrascht von der Stellungnahme von Herrn Wissmann. Weiter möchte ich das nicht kommentieren.“

 

Weg vom Kartellverdacht, hin zum Dieselskandal: Wäre in Wissmanns Stellungnahme von den skandalös hohen Stickoxid-Emissionen selbst moderner Motoren die Rede gewesen, dann hätte er mit seinen Worten exakt ins Schwarze getroffen. Es besteht in der Tat Anlass für eine „kulturelle Neudefinition“ von der an anderer Stelle in der Erklärung die Rede ist.

Abgasgrenzwerte und Steuerreform

Denn bisher hat die Industrie die Herausforderung durch neue, schärfere Abgasgrenzwerte stets so behandelt wie die vorgeblichen Zumutungen einer Steuerreform: Die besten Experten wurden zusammengetrommelt, um die Anforderungen zwar zu erfüllen, ohne aber selbst den geringsten Gestaltungsspielraum ungenutzt zu lassen. Wer am härtesten an der Grenze entlang fuhr, durfte sich des größten Beifalls seiner Kollegen gewiss sein.

Dieses Verhalten ist natürlich ein stückweit in unserem Wirtschaftssystem angelegt. Es findet aber da seine Grenze, wo die Gesundheit der Menschen in Gefahr gerät. Das will natürlich kein Manager in der Autoindustrie. Aber durch ein falsches Führungsverständnis kann es doch genau dazu kommen: Dazu gehört konsequentes Wegsehen ebenso wie unangemessen große Freiheiten für die Mitarbeiter in Fällen, die eigentlich Chefsache sein sollten. Insoweit ist in der Tat eine „kulturelle Neudefinition“ fällig. Schließlich gilt es, die Glaubwürdigkeit einer Branche nicht weiter zu gefährden, die wie keine zweite für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands steht. Auch das ist übrigens in Wissmanns Erklärung von 24. Juli nachzulesen.