Die Michigan-Mexiko-Verbindung ist auch Thema bei einem Treffen von Minister Untersteller mit Francisco Servien, dem Gouverneur von Querétaro, ein Mittdreißiger mit viel Gel im Haar. Servien ist optimistisch, was die Autoindustrie anbelangt: Da ist das neue Audi-Werk, da sind die Neubauprojekte von Daimler-Nissan sowie BMW – Werkseröffnungen 2018 respektive 2019. Keiner lasse Mexiko fallen, auch die Amerikaner würden es nicht tun.

 

Ford habe zwar eine ausgeschachtete Baustelle für ein neues Werk nach der Trump-Wahl plötzlich brachliegen lassen, aber Ford habe noch sieben andere Fabriken in Mexiko. Und die laufen weiter. Dann erzählt Servien, wie er dieser Tage Besuch vom Vizegouverneur von Michigan gehabt habe. Das habe ihn überrascht, sagt der Mexikaner, dass der Amerikaner ihm die Eröffnung eines Michigan-Büros für den Sommer 2017 in Querétaro angekündigt habe. „Wir hatten ein schönes Abendessen mit dem Vizegouverneur, am Ende hat er ,Let It Be‘ und ,Sweet Caroline‘ gesungen.“ Sieht so ein Wirtschaftskrieg aus?

„Die Mexikaner sind unbeeindruckt von Trump“, erzählt ein Zulieferer

Sich nicht aus dem Takt bringen lassen, so beschreiben die schwäbischen Mittelständler die Stimmung in Mexiko. „Ich habe interessante Gespräche geführt, die Mexikaner sind unbeeindruckt von Trump“, sagt Bernd Janner, der Vertriebsleiter der Halder KG, ein Zulieferer aus der Nähe von Laupheim mit 205 Mitarbeitern und 38 Millionen Umsatz.

In der Idee, ein Logistik- und Vertriebszentrum in Mexiko aufzubauen, ist er auf der Reise bestärkt worden. Besuche bei den Niederlassungen des Kolbenherstellers Mahle und des Autozulieferers Witzenmann stehen an, beide residieren in blitzsauberen Industrieparks in der Stadt Celaya. Gepflegte Blumenrabatte und ein riesiges Angebot an Gewerbefläche lassen die Gäste staunen. Die Löhne auch: Der mexikanische Mindestlohn beträgt 80 Peso am Tag, knapp vier Euro, Facharbeiterlöhne liegen bei 500 bis 600 Euro im Monat – ein Bruchteil von US-Löhnen.

Witzenmann mit weltweit 4100 Mitarbeitern hat hier vor einem Jahr eine neue Fabrik eröffnet. 56 Mitarbeiter stellen sogenannte Entkoppelelemente her, sie dämpfen Schwingungen zwischen Autoteilen. Man müsse nahe am Kunden sein, sagt der Marketingleiter Jochen Geiger, und er ist optimistisch, was eine Steigerung der Umsätze anbelangt: „Unsere Kunden stehen zum Standort Mexiko.“

Rückt dadurch Mexiko, das jedes Jahr 3,5 Millionen Fahrzeuge produziert, davon 80 Prozent für den US-Markt, an den Abgrund? Ist die deutsche Zulieferindustrie bedroht? Alle Wirtschaftsexperten im German Center von Mexiko-City beruhigen erst einmal: Werde Nafta gekündigt, träten die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) in Kraft, dann müsste Mexiko als Schwellenland 2,5 Prozent Zoll für seine Exporte in die USA zahlen, womit es „klarkäme“. Im Gegenzug müssten die Amerikaner im Durchschnitt fünf Prozent Zoll auf ihre Exporte zahlen. Kurzum, der große Bruder schade sich selbst. Am schärfsten bringt es Volker Helms, Direktor von LBBW Mexiko, auf den Punkt: „Es wird sich nichts ändern, ob mit oder ohne Nafta. Es wird sich alles einrenken.“

Ganz so harmlos ist der Faktor Trump aber wohl nicht. Bevor die Delegation in Richtung Norden auf einem 16-spurigen Highway fährt – überfüllt mit amerikanischen Trucks – macht sie halt bei Festo. Die Automatisierungstechniker aus Esslingen, die weltweit tätig sind, haben eine kleine Produktion in Mexiko-Stadt und einen starken Ausbildungszweig, genannt Festo Didactic, wo sie junge Mexikaner an ihren Maschinen ausbilden. Ein kluger Schachzug, denn es ist ein hervorragendes Marketingwerkzeug. Festo zeigt in seinem Showraum unter den zwei Dutzend Maschinen auch eine, die roboterhaft ein Spielzeug in eine Pommes-Tüte eintütet – denn das liebten die mexikanische Kinder, erzählt ein Festo-Mann: dass sie in ihren „Papa fritas“ ein Spielzeug fänden.

Firmen, die in Mexiko investierten, gehe es super – sagt der Festo-Werksleiter

Der Festo-Werksleiter Bernd Schreiber gibt gleich zu Beginn der Führung eine Generalerklärung ab: Firmen, die in Mexiko investierten, gehe es super, und „Festo geht es sehr gut“. Allerdings wirft er dann Folien an die Wand, die Risiken für Mexikos Wirtschaft aufzählen und neben der Inflation und dem Verbraucherverhalten steht da auch: Trump. Aber was wolle Trump eigentlich tun, fragt Schreiber, wenn Autoteile bis zu achtmal die amerikanisch-mexikanische Grenze querten und 40 Prozent der Teile aus Mexiko aus in den USA produzierten Komponenten bestünden? Der Festo-Didactic-Manager Armando Ramirez ist äußert sich kritischer über den Amerikaner: „Der Mann ist verrückt. Er hat unsere Gefühle verletzt. Wir Mexikaner importieren viel Mais aus den USA für unsere Tacos, wenn Nafta fällt, kaufen wir den in Argentinien.“

Minister präsentiert Stuttgart als Nabel der Welt

Ortswechsel, Szenenwechsel. In der Autostadt Querétaro im gleichnamigen Bundesstaat eröffnet im Kongresszentrum – futuristisch wie alle Großbauten in Mexiko – die dritte „Automotive Meetings“, eine zweitägige Konferenz der Zulieferindustrie mit Messeständen. Das ist die große Stunde des Ministers für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft aus Stuttgart: Untersteller darf die Messe eröffnen. Das macht er couragiert.

Vor Autozulieferern aus 22 Ländern macht der Minister das Stuttgarter Neckartor für einen Moment zum Nabel der Welt, indem er gleich am Anfang seiner Rede sagt, dass „keine 100 Meter Luftlinie von meinem Büro“ die Kreuzung mit den höchsten Überschreitungen der Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub liege. Da erwarteten die Bürger Lösungen von der Politik und der Autoindustrie. Dann geißelt der Landesminister noch den US-Präsidenten, denn globale Märkte seien eine Notwendigkeit, die Drohkulissen der neuen Regierung in Washington verteuerten innovative Produkte, und am Ende zahle „der Verbraucher die Zeche“. Und er wirbt für das Autoland Baden-Württemberg, die „Heimat von 2000 Zulieferern“ – respektvoller Applaus.

Auf der Zulieferer-Messe in Mexiko sind mehr Teilnehmer denn je: ein Plus von 20 Prozent

Die „Automotive Meetings“ finden zum dritten Mal in Mexiko statt, 800 Zulieferer von Kanada bis Korea sind da – ein Plus von 20 Prozent. Den größten Stand auf der Messe hat der US-Bundesstaat Michigan („die Legende der Autoindustrie“), wo Amerikaner und Mexikaner gemeinsam in kleinen Buden sitzen, etwa Ron Graham aus Texas und der Mexikaner Daniel Oceguera von MFG-Solutions Industrial Supply. Die beiden treten wie Freunde auf und sind gleichermaßen betroffen.

Ron Graham sagt, er komme ja aus einem Trump-Bundesstaat, eine wütende Wählerschaft habe den zum Präsidenten gemacht, aber er hoffe, dass es nur bei verletzender Rhetorik bleibe und der Senat und der Kongress Trump bremsten. Daniel Oceguera ergänzt, ein Ende von Nafta würde viel zerstören, die Volkswirtschaften seien zu eng verwoben.

Werksneueröffnungen in 2018 und 2019

Die Michigan-Mexiko-Verbindung ist auch Thema bei einem Treffen von Minister Untersteller mit Francisco Servien, dem Gouverneur von Querétaro, ein Mittdreißiger mit viel Gel im Haar. Servien ist optimistisch, was die Autoindustrie anbelangt: Da ist das neue Audi-Werk, da sind die Neubauprojekte von Daimler-Nissan sowie BMW – Werkseröffnungen 2018 respektive 2019. Keiner lasse Mexiko fallen, auch die Amerikaner würden es nicht tun.

Ford habe zwar eine ausgeschachtete Baustelle für ein neues Werk nach der Trump-Wahl plötzlich brachliegen lassen, aber Ford habe noch sieben andere Fabriken in Mexiko. Und die laufen weiter. Dann erzählt Servien, wie er dieser Tage Besuch vom Vizegouverneur von Michigan gehabt habe. Das habe ihn überrascht, sagt der Mexikaner, dass der Amerikaner ihm die Eröffnung eines Michigan-Büros für den Sommer 2017 in Querétaro angekündigt habe. „Wir hatten ein schönes Abendessen mit dem Vizegouverneur, am Ende hat er ,Let It Be‘ und ,Sweet Caroline‘ gesungen.“ Sieht so ein Wirtschaftskrieg aus?

„Die Mexikaner sind unbeeindruckt von Trump“, erzählt ein Zulieferer

Sich nicht aus dem Takt bringen lassen, so beschreiben die schwäbischen Mittelständler die Stimmung in Mexiko. „Ich habe interessante Gespräche geführt, die Mexikaner sind unbeeindruckt von Trump“, sagt Bernd Janner, der Vertriebsleiter der Halder KG, ein Zulieferer aus der Nähe von Laupheim mit 205 Mitarbeitern und 38 Millionen Umsatz.

In der Idee, ein Logistik- und Vertriebszentrum in Mexiko aufzubauen, ist er auf der Reise bestärkt worden. Besuche bei den Niederlassungen des Kolbenherstellers Mahle und des Autozulieferers Witzenmann stehen an, beide residieren in blitzsauberen Industrieparks in der Stadt Celaya. Gepflegte Blumenrabatte und ein riesiges Angebot an Gewerbefläche lassen die Gäste staunen. Die Löhne auch: Der mexikanische Mindestlohn beträgt 80 Peso am Tag, knapp vier Euro, Facharbeiterlöhne liegen bei 500 bis 600 Euro im Monat – ein Bruchteil von US-Löhnen.

Witzenmann mit weltweit 4100 Mitarbeitern hat hier vor einem Jahr eine neue Fabrik eröffnet. 56 Mitarbeiter stellen sogenannte Entkoppelelemente her, sie dämpfen Schwingungen zwischen Autoteilen. Man müsse nahe am Kunden sein, sagt der Marketingleiter Jochen Geiger, und er ist optimistisch, was eine Steigerung der Umsätze anbelangt: „Unsere Kunden stehen zum Standort Mexiko.“

Der mexikanische Werksleiter Carlos Talamantes führt durch die Werkshalle, zeigt die weitgehend automatisierte Produktion und ist stolz, dass man keine Korruption unterstütze: „Wir haben in den zwei Jahren hier keinen einzigen Peso bezahlt, damit etwas beschleunigt wird.“ Allerdings habe man auch sechs Monate auf den Elektrizitätsanschluss warten müsse, das dauere sonst nur wenige Tage.

Mahle mit neun Standorten in Mexiko

Bei Mahle – ein Global Player mit 76 000 Mitarbeitern und allein in Mexiko mit neun Standorten – stehen die Zeiten auf Expansion: 200 Mitarbeiter stellen in Celaya Luftfilter und Luftansaugsysteme für Autos her – entwickelt von Mahle Japan. Mit einer Rütteltechnik werden hier Kunststoffteile zusammengeschweißt. In der riesigen Fabrikhalle wird gerade eine neue Fertigungslinie aufgebaut – mit Blick auf das neue Daimler-Nissan-Werk soll die Kapazität um 30 Prozent erhöht werden. „Wir müssen unsere Teile schon acht Monate vor der Werkseröffnung von Daimler produzieren – wegen des Audits“, sagt der Manager Rogelio Santos. Ein halbes Dutzend Mahle-Experten für „schlanke Produktion“ aus Deutschland, Japan, Südkorea und Brasilien üben gerade die Abläufe. Sie laufen hin und her, mimen Roboter, es sieht seltsam aus, wie ein stummer Auftritt von Schauspielern, aber es ergänzt die Computersimulation.

Santos führt durchs Werk, zeigt Sozialräume mit Mikrowellen und Tischkickern, führt nach draußen zu einem Minipark mit Teich und einem 200 Jahre alten Baum. Der Blick führt weit in die Buschlandschaft. Drei streunende Hunde haben es durch den Zaun geschafft, und ein Mahle-Sicherheitsmann wirft Steine nach ihnen. Das bekommt von der Delegation aber keiner mit.