Die Internationale Bachakademie Stuttgart stellt Ihr Musikfestprogramm und die Saisonaktivität vor.

Stuttgart - Ein Saisonprogrammen oder Festivals vorangestelltes Motto hat seinen Reiz. Klug erdacht, ermöglicht es sinnvolle dramaturgische Bezüge, zu allgemein gehalten, ist es kaum verkündet, schon vergessen. Albern wird es, wenn der überwölbende Gedanke einem Werk nur durch gymnastische Verrenkungen gerecht wird. Der „Freundschaft“ widmet die Internationale Bachakademie Stuttgart (IBA) ihr ziemlich geschrumpftes Musikfest vom 4. bis 13. September. Allein, um Freundschaft geht es weder in Mozarts Oper „Idomeneo“ zur Eröffnung noch im Finale von Beethovens neunter Sinfonie, die beim Abschlusskonzert aufgeführt wird. Auch wenn der künstlerische Leiter der IBA, Hans-Christoph Rademann, das Freundschaftsthema etwas allgemeiner verstanden wissen will als ein „Was verbindet Menschen?“, in Mozarts Schicksalsdrama wird die Frage nach einem gerechten Gott gestellt, in der Sinfonie der Sinfonien geht es um die (politische) Utopie von Brüderlichkeit und Menschengleichheit. Das sind doch ziemlich verschiedene Bedeutungen.

 

Sei’s drum, wenn sich solche Unschärfe nicht im musikalischen Mittelmaß spiegelt. Gut zu hören, dass dem Dirigenten Hans-Christoph Rademann und Gernot Rehrl, dem Intendanten, unbedingt an Qualität gelegen ist, wie sie bei der Vorstellung des Musikfestprogramms sowie der weiteren Saisonaktivitäten der Bachakademie betonten. Deshalb die verkürzte Festivaldauer. Die Ressourcen, sprich, das Geld, seien eben endlich, sagte der Intendant. Man wolle lieber das Profil schärfen, als Quantität zu produzieren.

Wichtig sind Rehrl die zahlreichen Kooperationen, sei es während des Festivals die mit dem Buchhaus Wittwer, wo beim Musikfest-Café Begegnungen mit Künstlern und Vorträge stattfinden, oder die neue Reihe „Unternehmen Musik“. Bei ihr wird die Bachakademie direkt in einigen ihr durch Sponsoring verbundenen Firmen auftreten, bei Kärcher in Winnenden, der BMW-Niederlassung in Vaihingen und Trumpf in Ditzingen.

Bachs h-Moll-Messe jedes Jahr am 21. März

Ob das Publikum diese und viele andere neue Wege mitgeht, ist die entscheidende Frage – die beiden Herren R. wollen und müssen mit solchen Aktionen ran ans Publikum, das immer weniger das des Bachakademiegründers Rilling ist. Obwohl es sicherlich in dessen Sinne ist, dass Rademann künftig jedes Jahr am 21. März, Johann Sebastian Bachs Geburtstag nach dem julianischen Kalender, dessen h-Moll-Messe aufführen will, wie nächstes Jahr als Abschluss der Bachwoche. Rademann zeigt Präsenz, auch wenn er bei diesem Musikfest nur den „Idomeneo“ und vier Kantaten dirigiert, die Neunte dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und Stéphane Denève überlässt. Die fünf Saisonkonzerte (früher waren es sechs) übernimmt er dann komplett selber: darunter Brahms’ Deutsches Requiem, Bernsteins Chichester Psalms, Bachs Johannespassion und Beethovens Missa solemnis.

Die Reihe „Sakral modern“ wird eingestellt, auch wenn, so Gernot Rehrl, das nicht heiße, dass geistliche Musik des 20. Jahrhunderts keine Rolle mehr spiele. An ihre Stelle tritt „Gott und die Welt“, bei der dann mal ein reines Schütz-Programm möglich ist: ein Gastspiel von Rademanns Dresdner Kammerchor; die „Moderne“ ist mit einem weltlichen Stück von Benjamin Britten inmitten eines ansonsten braven Programms (Bach/Stokowski, Purcell, Frank Bridge, Elgar) mit Neville Marriner und dem RSO Stuttgart im Theaterhaus vertreten.

Beflügelt vom Erfolg der Südamerikatour jüngst will man künftig verstärkt mit Auslandsgastspielen bekunden, dass die Bachakademie mit dem Namen Rademann zu denken sei. Da tut es weh, dass – keiner spricht es offen an – die Einladung an die Gächinger Kantorei nach Katowice nur unter der Bedingung zustande kam, dass Helmuth Rilling ein Konzert übernimmt. So dirigiert der Vorgänger die Matthäuspassion, Rademann die Johannespassion.

Öffnung des Angebots beim Musikfest

Spielt unter der Saison also im Repertoire der Markenkern der IBA eine wichtige Rolle sowie der Akademiegedanke in Form von vielfältigen Vermittlungsangeboten für Schulen wie „Bachbewegt“, „Tanz!“ und „Hand in Hand“, wird beim Musikfest weiter die Öffnung des Angebots bei Werkauswahl, Künstlern und Spielorten versucht: Wagenhallen, Tango-Zentrum, das Treffen der Amateurpianisten, Mitsing-Aktionen in der Markthalle und auf dem Schillerplatz, Musik zum Wein in Uhlbach, Sonnenaufgangskonzerte . . .

In dieser Hinsicht schüchterne Musikfreunde halten sich an die Reihe „Sichten auf Bach“ und die Auftritte namhafter Gäste wie Sigiswald Kuijkens La Petite Bande, das Minguet-Quartett, Thomas Quasthoff, Daniel Hope, Nils Mönkemeyer, Michael Volle, das Ensemble Amarcord und Jan Vogler – er spielt die ersten drei Cellosuiten von Bach in der Stiftskirche.