Erst spät wurde der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann in Wieland Backes’ „Nachtcafé“ eingeladen. Hat die CDU etwas nachgeholfen? Nein, versichert der SWR. Doch Merkwürdigkeiten bleiben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Talkrunde in Wieland Backes’ „Nachtcafe“ lief schon etwa eine Stunde. „Schwul, lesbisch, hetero – wirklich selbstverständlich?“, lautete das Thema, um das es in der jüngsten Sendung ging. Anlässlich der Aufregung um Homosexualität im baden-württembergischen Bildungsplan und des Outings von Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger diskutierten illustre Gäste, die alle auf irgend eine Weise betroffen waren – darunter Kultusminister Andreas Stoch (SPD), der Initiatior der umstrittenen Online-Petition, Gabriel Stängle, die „taz“-Chefredakteurin Ines Pohl und der Generalsekretär der Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb.

 

Da wandte sich der Moderator an einen weiteren Gast, den Stuttgarter CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann. „Ihre Partei sieht Sie sicher heute nicht ungern hier sitzen“, hob er an. Ob der Rechtsanwalt, der offen mit seiner Homosexualität umgeht, der CDU nicht ein wenig als „Feigenblatt“ diene? Dahinter steckte wohl der Verdacht, er solle die Partei moderner erscheinen lassen, als sie wirklich sei. Doch Stefan Kaufmann ließ das nicht gelten: Die Union sei eben „sehr vielfältig“, und sie habe sich in den vergangenen Jahren „auch bewegt“.

Hat die Partei ein bisschen nachgeholfen?

Die CDU sehe Kaufmann gerne im „Nachtcafé“ – diese Formulierung von Backes ließ aufhorchen. Schon zuvor nämlich war geraunt worden, die Partei habe bei der Einladung des Abgeordneten ein bisschen nachgeholfen. Dem eloquenten SPD-Minister Stoch, so die Vermutung, solle in der beliebten SWR-Talkshow das Feld nicht alleine überlassen werden. Tatsächlich war Kaufmann, der die Runde durchaus bereicherte, gar nicht als Gast vorgesehen.

Weder auf der Internetseite des „Nachtcafés“ noch in der ersten Version der Pressemitteilung wurde er zunächst als Teilnehmer aufgeführt. Es mangelte ja nicht an interessanten Gesprächspartnern – darunter die Mutter einer lesbischen Tochter, die anfangs „Rotz und Wasser geheult“ hatte, und der Vater eines schwulen Sohnes, der sich aus Verzweiflung über seine Ausgrenzung mit 17 Jahren das Leben genommen hatte. Erst einen Tag vor der Sendung wurde hektisch umgeplant. Für einen Familienvater aus Berlin, der zusammen mit seinem Partner ein siebenjähriges Pflegekind großzieht, gab es plötzlich keinen Platz mehr in der großen Runde. Per Anruf aus Stuttgart erfuhr er von einer „neuen Situation“: Wieland Backes könne ihn nun nur noch in einer Art Intermezzo befragen. Wenn er damit nicht einverstanden sei, dürfe er natürlich auch ganz absagen.

Offiziell gab es nur sachliche Gründe

Gleichzeitig erreichte Stefan Kaufmann die Einladung des SWR – „kurzfristig“, wie er bestätigte. Der Grund sei vermutlich sein „Engagement in der Sache“, sagte Kaufmann der StZ: „Weitere Hintergründe sind mir nicht bekannt.“ Man möge beim Sender nachfragen, wie der es mit der Einladungspraxis halte.

Dort verwies der zuständige Chef vom Dienst des „Nachtcafés“ auf den Abteilungsleiter Journalistische Unterhaltung und der wiederum auf den Unternehmenssprecher. „Es gab keine Einflussnahme von Außen auf den Sender“, lautete schließlich die offizielle Auskunft. Wie auch sonst sei es das einzige Kriterium gewesen, „ob ein Betroffener Geschichten aus seiner Lebenswirklichkeit erzählen kann“. Alleine die Redaktion habe entschieden, „dass Herr Kaufmann als einer der wenigen bekennenden homosexuellen Politiker (zudem aus der Region)“ eingeladen werde. „Sein Parteibuch spielte dabei keine Rolle.“ Zu Backes’ feinsinniger Andeutung und der Eile beim Ein- und Ausladen gab es keine zitierbare Stellungnahme.

Die Diskussion im „Nachtcafé“ verlief übrigens wirklich nicht entlang der Parteigrenzen. Der SPD-Minister Stoch und der CDU-Abgeordnete Kaufmann zeigten sich weitgehend einig: Im verbalen Schulterschluss argumentierten sie gegen den Initiator der Online-Petition und den Kirchenvertreter an.