Eine Flut an Verfahren müssen Juristen seit Beginn der Flüchtlingskrise ohnehin bewältigen. Jetzt kommt ein Phänomen hinzu: Junge Männer bezichtigen sich aus Angst vor Abschiebung der Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe.

Stuttgart - Zahlreiche Selbstanzeigen führen bei der Justiz in Baden-Württemberg zu einer Zunahme der Ermittlungsverfahren wegen islamistischen Terrors. Bei der Generalstaatsanwaltschaft in Stuttgart gab es im laufenden Jahr insgesamt 30 neue Fälle zu islamistischem Terror. Das waren 19 mehr als im gesamten Vorjahr, wie ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Ein Grund sei eine wachsende Zahl von Selbstanzeigen in Asylverfahren.

 

Bisher gibt es Stuttgarts Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen zufolge 100 Selbstanzeigen in Asylverfahren, besonders häufig von Menschen aus Somalia sowie Pakistan und Afghanistan. Die Menschen aus Somalia bezichtigten sich, bei der radikalislamischen Al-Shabaab-Miliz gewesen zu sein, Asylbewerber aus Pakistan und Afghanistan bei den radikal-islamischen Taliban.

Mit der Selbstbezichtigung einer Zwangsmitgliedschaft in einer islamistischen Vereinigung wollten viele Asylbewerber der Abschiebung entgehen. Dabei spekulierten sie auf den sogenannten subsidiären Schutz. „Mit den Selbstanzeigen wegen Terrors in laufenden Asylverfahren ist eine massive neue Belastung auf die Strafverfolgungsbehörden zugekommen“, sagte Brauneisen.

Rund 100 Verfahren wurden Generalbundesanwalt vorgelegt

Der subsidiäre Schutz als dritte Statusform neben der Anerkennung als Asylberechtigter oder als Flüchtling gewährt in bestimmten Fällen wirksamen Schutz. Und zwar dann, wenn eine schwere Menschenrechtsverletzung unterhalb der Schwelle der politischen Verfolgung vorliegt. Gemäß dem Asylgesetz genießt ein Ausländer immer dann subsidiären Schutz, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland, ein ernsthafter Schaden droht. Dazu zählen Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung.

Die rund 100 Verfahren wurden von der Staatsanwaltschaft Stuttgart (württembergischer Landesteil) und der Staatsanwaltschaft Karlsruhe (badischer Landesteil) über die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart dem Generalbundesanwalt zur Prüfung vorgelegt. In 12 Fällen hat der Generalbundesanwalt ein Verfahren eingeleitet, also den Anfangsverdacht bejaht und dann an die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart abgegeben. In diesen 12 Verfahren laufen die Ermittlungen noch. 12 der rund 100 Verfahren wurden vom Generalbundesanwalt eingeleitet und werden dort selbst geführt. Die restlichen rund 80 Verfahren befinden sich noch beim Generalbundesanwalt zur Prüfung.

„Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren ständig verschärft“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Deutschland und Europa stünden im Fokus des islamistischen Terrorismus. „Wir haben die islamistische Szene genau im Blick.“