Die Brüsseler Kommission geht auf deutsche Bedenken ein, aber sie will letztendlich im Jahr 2024 eine gemeinsame Haftung in vollem Umfang einführen. Die Sparkassen legen den vorgelegten Stufenplan rigoros ab.

Brüssel - Der Streit über den weiteren Ausbau der europäischen Bankenunion, mit der das Risiko des Steuerzahlers im Pleitefall reduziert werden soll, geht in die nächste Runde: Gegen den Widerstand der Bundesregierung hat die EU-Kommission am Dienstag einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, mit dem die nationalen Sicherungsfonds für Sparguthaben in ein europäisches System überführt werden. „Die Vollendung der Bankenunion ist für eine krisenfeste und prosperierende Wirtschafts- und Währungsunion unverzichtbar“, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis bei der Vorstellung der Pläne. „Wir haben schon eine einheitliche Bankenaufsicht und eine einheitliche Abwicklungsbehörde geschaffen“, erklärte sein britischer Kollege Jonathan Hill, in Brüssel für die Finanzmarktregulierung zuständig. „Jetzt müssen wir Schritte hin zu einer einheitlichen Einlagensicherung unternehmen.“

 

Die Behörde schlägt ein Stufenmodell vor, das nun von den EU-Regierungen und dem Europaparlament beraten werden muss. In einer ersten Phase von 2017 bis 2020 würde es der Kommission zufolge lediglich um eine Art „Rückversicherung“ der existierenden nationalen Einlagensicherungssysteme gehen. Diese von der Branche befüllten Fonds erstatten jedem Kunden bei der Insolvenzseiner Bank Sparguthaben von bis zu 100 000 Euro – könnten aber bei der Pleite eines großen Geldhauses überfordert und schnell leer sein. In einem solchen Fall könnte das neue „European Deposit Insurance Scheme“ (Edis) samt Fonds einspringen – allerdings nur bis zu einer noch festzulegenden Obergrenze.

In der zweiten Phase würde die europäische Einlagensicherung einen wachsenden Teil der Erstattungskosten übernehmen, ehe im Jahr 2024 die dritte Phase der vollen Vergemeinschaftung erreicht wäre. Der Kommissionsvorschlag geht in mehreren Punkten auf die heftige Kritik aus Deutschland ein. So soll etwa ausgeschlossen werden, dass Banken aus anderen Ländern und damit indirekt auch ihre Kunden für Institute in einem anderen Euroland haften, wenn dieses nicht Vorsorge getroffen und alle EU-Regeln für seine Bankenlandschaft umgesetzt hat.

Für Berlin ist eine gemeinsame Haftung inakzeptabel

Das Bundesfinanzministerium hatte es kürzlich als „unakzeptabel“ bezeichnet, eine weitere gemeinsame Haftung von Bankrisiken zu einem Zeitpunkt einzuführen, da eine Reihe vorangegangener Beschlüsse zur Bankenunion noch gar nicht in allen Ländern umgesetzt ist. So gibt es in 14 der 28 Staaten noch gar keine nationalen Einlagensicherungen wie von der entsprechenden EU-Richtlinie vorgeschrieben. Das gilt in fünf Ländern auch für die sogenannte Bankenabwicklungsrichtlinie, der zufolge zuerst Aktionäre und Gläubiger einer insolventen Bank zur Kasse gebeten werden müssen, ehe Verluste bei den Spareinlagen zu Buche schlagen dürfen.

Der Brite Lord Hill kündigte neben einer rigorosen Durchsetzung des EU-Rechts über Vertragsverletzungsverfahren zudem ein Paket zusätzlicher kleinerer Maßnahmen an, um die noch existierenden Risiken im europäischen Bankensektor zu reduzieren – etwa den Abbau nationaler Ermessensspielräume bei der Aufsicht. „Wir müssen in jeder Phase sicherstellen, dass Risikominderung und Risikoteilung Hand in Hand gehen“, sagte Hill. Für die Sonderrolle der deutschen Sparkassen- und Genossenschaftsbanken, die eigene Sicherungssysteme unterhalten, ist in dem Brüsseler Gesetzesvorschlag ebenfalls viel Verständnis enthalten. Zwar gibt es keine generelle Ausnahme für sie, da etwa ihre Landesbanken unter die europäische Aufsicht fallen. Wohl aber sollen sie, wie die EU-Kommission schreibt, „ihre derzeitigen institutsspezifischen Sicherungssysteme beibehalten“ und keine höheren Kosten befürchten müssen, da die Beiträge zum europäischen System „von den Beiträgen zur nationalen Einlagensicherung abgesetzt werden können“.

Zudem, so die Brüsseler Behörde, werde sich der Beitrag am Risikoprofil einer Bank orientieren: „Dies sind gute Nachrichten für alle auf Sicherheit setzenden Banken in Europa, denn sie werden nur relativ niedrige Beiträge zahlen, aber zusätzlichen Schutz erhalten. Das sehen die Sparkassen trotzdem ganz anders – ihre Kritik ist viel grundsätzlicherer Natur. „Wenn man in der falschen Richtung, in die Sackgasse unterwegs ist, dann hilft auch kein Stufenplan“, ärgerte sich Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon bereits am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. Eine EU-weite Einlagensicherung würde seiner Meinung nach nämlich nicht, wie von der Kommission behauptet, die Finanzmarktstabilität in Europa erhöhen, sondern verringern. Mit einem europäischen Topf, so heißt es in einem Positionspapier seines Verbandes, „müsste nicht mehr so stark auf die Solidität des eigenen Geschäftsmodells geachtet werden, da ja andere den Schaden mit auffangen könnten“.