Sandra Kolb ist sehbehindert und kommt in ihrem Alltag gut zurecht. Auf dem Weg zum Einkaufsladen gibt es allerdings ein Problem: Eine Ampel in der Birkacher Ortsmitte signalisiert ihr nicht hörbar wie andere, dass sie auf Grün geschaltet hat.

Birkach - Es ist einer der Wege, die Sandra Kolb am häufigsten geht. Von ihrer Wohnung an der Kaiserstraße ist es nicht weit zu dem Discounter an der Birkheckenstraße. Und die sehbehinderte Sandra Kolb muss einkaufen, denn in ihrer Wohngruppe müssen sich alle Bewohner selbst versorgen. Den Weg an der Tankstelle und am Alten Friedhof vorbei ins kleine Zentrum von Birkach hat sie im Mobilitätstraining geübt. Sie trägt eine Armbinde, die sie für andere sichtbar als sehbehindert ausweist.

 

„Es gibt ja Leute, die meinen, sie kämen ohne Stock und Armbinde und nur mit einer Plakette zurecht“, sagt die 22-Jährige und schüttelt mit Nachdruck den Kopf. Sie will alles richtig machen und ist sich der Risiken bewusst, die für Sehbehinderte im Straßenverkehr nun mal größer seien. Denn einer ihrer Sinne fällt aus, auf den sich die anderen Verkehrsteilnehmer verlassen können, um Gefahren auf der Straße besser einzuschätzen.

Der Übergang macht Sorgen

Doch alles lässt sich eben nicht trainieren. Sandra Kolb stellt sich an der Birkheckenstraße an der Ampel auf, direkt gegenüber vom Penny-Markt. Sie will zeigen, was ihr regelmäßig Sorgen bereitet. Sandra Kolb drückt auf den Taster der Ampel. Der Bestätigungsanzeiger leuchtet nun Rot und zeigt so an, dass das Signal kommt. Schaltet die Ampel auf Grün, erlischt das Leuchten.

Das Problem für Sandra Kolb ist gravierend: Sie hat Schwierigkeiten, den Wechsel der Farben zu erkennen. Dabei ist sie nicht völlig blind. Auf einem Auge verfügt sie zu einem geringen Prozentsatz noch über Sehvermögen. Trotzdem: Wenn die Sonne scheint, hat sie keine Chance. Sie nimmt nicht wahr, wie sich die Farben auf dem Bestätigungsanzeiger verändern – und am Ampellicht selbst erst recht nicht.

Probleme bei Sonnenschein

Wenn es bewölkt ist, muss sie sich vorbeugen, um zu erkennen, wann der Anzeiger blinkt und wann er erlischt. Manchmal funktioniert das aber nicht, erzählt sie. „Das ist gefährlich wie Heide. Weil ich dann eben hören muss, ob sich ein Auto von einer der beiden Seiten nähert“, sagt die 22-jährige Birkacherin.

Wenn Kolb ihren Einkauf erledigt hat, muss sie eventuell das Risiko noch einmal eingehen und die Birkheckenstraße überqueren. Denn die Alternative – nämlich auf der Seite zu bleiben, auf der der Penny-Markt liegt und die Birkhecken- beziehungsweise Welfenstraße an der Ecke Grüninger Straße an einer Ampel mit akustischem Signal zu überqueren – ist für sie keine. Denn Sandra Kolb müsste dafür die abschüssige Riedenberger Straße überqueren. An deren Einfahrt steht zwar eine Ampel. Diese ist aber nicht für die Fußgänger da, sondern regelt nur den Autoverkehr. Sandra Kolb findet es „saugefährlich“, die Riedenberger Straße zu queren. Die Steigerung in der Wortwahl macht klar, dass sie sich beim Überqueren der Birkheckenstraße auch ohne akustische Signalanlage noch deutlich sicherer fühlt als an der Riedenberger Straße.

Keine Probleme auf dem Weg zur Garbe

Sandra Kolb betont, dass sie sich auf ihren anderen Wegen in Birkach stets sicher fühle. So geht sie werktags zum Beispiel zu Fuß zur Plieninger Garbe, um mit der Stadtbahn zur Arbeit nach Möhringen zu fahren. „Das klappt gut.“

Tatsächlich tut die Stadt Stuttgart auch aus der Sicht von Behindertenvertretern viel bei der Aufstellung behindertengerechter Ampeln. Die Vorsitzende des Landesverbands für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung (LVKM), Jutta Pagel-Steidl, betont, dass ihr bisher keine Klagen über nicht behindertengerechte Signalanlagen in Birkach oder Plieningen zu Ohren gekommen seien. „Das heißt aber nicht, dass es sie nicht gibt. Die Verwaltung sollte reagieren, wenn Sehbehinderte an irgendeiner Stelle Gefahren für sich sehen“, sagt sie.

Immer mehr sehbehindertengerechte Ampeln

Die Stadt verspricht auch, dass sie für die verschiedenen Bedürfnisse und Wünsche der Betroffnen offen sei, wenn es um ihre Signalanlagen geht. Diese würden sukzessive umgewandelt in Ampeln, die entweder einen Ton von sich geben oder vibrieren, heißt es in einer Stellungnahme der Stadtverwaltung.

Sandra Kolb kann also hoffen, dass sie irgendwann eine Ampel gegenüber dem Penny-Markt vorfinden wird, die bei der Schaltung auf Grün entweder summt oder vibriert. Bis dahin wird die Sehbehinderte eben auf dem Weg zum Einkaufen besonders achtgeben müssen.