Die Arbeiten auf dem Gleisvorfeld des Stuttgarter Hauptbahnhofs sollen bis Juli 2012 dauern. Anwohner fürchten um ihre Nachtruhe.

Stuttgart - Mit der symbolischen Anhebung des Prellbocks 049 hatte die Bahn am 2. Februar offiziell die Bauarbeiten für das umstrittene Schienenprojekt Stuttgart 21 eingeläutet. Gemerkt hat bisher kaum ein Stuttgarter etwas von den laufenden Gleis- und Weichenverlegungen - seit dem vergangenen Wochenende ist das anders.

Die Bewohner der an das Bahnhofsvorfeld angrenzenden Häuser allerdings wissen spätestens seit Ostern, was die Stunde geschlagen hat. "Am Ostermontag mitten in der Nacht ging plötzlich diese wahnsinnig laute Warnsirene los, und dann die ganze Nacht durch. Wir waren völlig entnervt", schildert ein Mieter seine akustischen Eindrücke. Die Lautstärke der Warnsignale sei "untragbar". Besonders geärgert hat ihn, dass die Anwohner nicht wenigstens vorab über die nächtlichen Geräuschbelästigungen informiert worden seien: "Als die SSB die U5 neu gebaut haben, hatten wir nahezu jeden dritten Tag ein ausführliches Flugblatt mit allen wichtigen Informationen in unserem Briefkasten."

Bahn setzt auf leisere Sirenen


Der Grund für die Beschwerde: die Bahn hatte für die nachts stattfindenen Gleisarbeiten sogenannte Tyfone eingesetzt. Die aus zwei Hörnern bestehende und mit komprimiertem Kohlendioxid betriebene Zugsirene soll die Arbeiter rechtzeitig vor ein- oder ausfahrenden Zügen warnen. Normalerweise setzt die Bahn auf ihren Baustellen andere, wesentlich leisere Signalhörner ein. Im Stuttgart-21-Kommunikationsbüro von Projektsprecher Wolfgang Drexler hat man inzwischen das Informationsdefizit eingeräumt und Konsequenzen gezogen.

Ab sofort sollen die lautstarken Hornsignale die Anwohner zumindest unter der Woche nachts zwischen 22.30 und 5 Uhr nicht mehr aus dem Schlaf reißen, so die Auskunft des Büros. Vereinzelt will die Bahn stattdessen auf leisere Alarmsirenen zurückgreifen. Allerdings: an den insgesamt noch sieben Wochenenden während der Sperrung der S-Bahn-Rampen bis Mitte Juli könne auf den Einsatz der lautstarken Tyfone aus Sicherheitsgründen nicht verzichtet werden, teilt das Drexler-Büro mit. Die größere Reichweite der Tyfone werde zur Warnung der Arbeiter gebraucht.

Die Arbeiten auf dem Gleisvorfeld dauern bis Juli 2012


Insgesamt liegen die Arbeiten auf dem Gleisvorfeld, unterteilt in 61 einzelne Bauabschnitte, nach Angaben des Kommunikationsbüros voll im Zeitplan: Seit Anfang Februar seien zehn Weichen zurückgebaut, fünf Weichen neu eingebaut sowie 290 Meter Schienen ausgebaut und 300 Meter neue Gleise verlegt worden. Außerdem wurden insgesamt 23 Oberleitungsmasten demontiert sowie sechs neue Masten errichtet. Entgegen anderslautender Informationen sei aber noch nicht mit dem Bau der Logistikstraße begonnen worden, auf der den Planungen zufolge später ein Teil des Tunnelaushubs per Lastwagen zum Nordbahnhof transportiert und dort auf Güterzüge umgeladen werden soll. Das geschotterte Straßenbett entlang der Nordbahnhofstraße diene lediglich dem Abtransport der nicht mehr benötigten Gleise sowie der Anlieferung von Maschinen und Material.

Die Arbeiten auf dem Gleisvorfeld sollen insgesamt noch bis Juli 2012 dauern. Insgesamt müssen bis dahin 92 alte durch 50 neue Weichen ersetzt sowie 10.000 Meter Gleis abgebaut und 5300 Meter neu verlegt werden. Erst danach sollen nach Angaben der Deutschen Bahn die Aushubarbeiten für den neuen unterirdischen Durchgangsbahnhof beginnen.