Die Kanalbauarbeiten im Schießgärtle sind aufwendiger als angekündigt, monieren einige Anwohner. Da ein Subunternehmer insolvent gegangen war und die Arbeiter auf hartes Felsgestein gestoßen sind, ziehen die Arbeiten sich in die Länge.

Möhringen - Die Baustelle an der Ecke Steinbrunnenstraße und Im Schießgärtle scheint vom Pech verfolgt zu sein. Erst geht ein Subunternehmer insolvent, und die Bauarbeiten stocken für mehrere Monate, dann stoßen die Arbeiter in der Tiefe auf hartes Felsgestein, das den Fortgang verzögert. Die Leidtragenden sind seit einem dreiviertel Jahr die Anwohner. Die kritisieren jetzt, dass die Stadtverwaltung im Vorfeld nicht ausreichend über die Größe der Baustelle und die Beeinträchtigungen informiert habe.

 

Klagen über „Dauerlärmbelästigung“

Heiger Ostertag wohnt an der Steinbrunnenstraße 6. Er beklagt sich über die „Dauerlärmbelästigung“ von 7 bis 20 Uhr. Teils hätten die Arbeiten schon um 6 Uhr morgens begonnen und einmal bis 21.30 Uhr gedauert. „Dazu kommt, dass sich die Baustelle mitsamt ihren Containern in einem geradezu unglaublichen Maß ausgedehnt hat“, sagt er. Viele Parkplätze seien weggefallen, und man könne nicht in Garagen einfahren. „Die Belastungen für die Anwohner sind ein kleines Spiegelbild dessen, was den Talkessel im Hinblick auf Stuttgart 21 erwartet“, sagt er. Auf seine Beschwerde hin habe er zwar ausführlich erklärt bekommen, warum die Arbeiten nötig seien. Deren Sinnhaftigkeit könne er aber natürlich nicht beurteilen.

Der Anlass für die Kanalbauarbeiten sind gesetzliche Vorgaben. Künftig sollen weniger verschmutzte Abwässer in Flüsse und Bäche geleitet werden. Im Schießgärtle muss daher ein neuer Regenüberlaufkanal gebaut werden. Dieser sorgt dafür, dass bei stärkeren Regenfällen der in trockenen Perioden im Kanalsystem angesammelte Schmutz nicht in die Körsch geleitet wird.

Die technischen Hintergründe und eingetretenen Schwierigkeiten sind für die Anwohner allerdings nachrangig. Für sie zählen der Lärm und die Beeinträchtigungen. „Die Dimension der Baustelle war so nicht Thema im Vorfeld“, betont Ostertag.

„Sie haben uns scheibchenweise die Wahrheit verkündet“

Ebenso sieht das Siegfried Bahmann. Er wohnt im Erdgeschoss an der Steinbrunnenstraße 2. Die Baustelle liegt damit direkt vor seinem Fenster. „Sie haben uns scheibchenweise die Wahrheit verkündet“, kritisiert er in Richtung Stadtverwaltung. Er habe nicht gewusst, dass fast die ganze Straße gesperrt werde. „Ich sehe nur Geräte und Container“, sagt er. „Das wäre ja noch zu ertragen, wenn nicht der Lärm wäre.“ Besonders laute Geräusche produzieren Stromaggregate und eine Pumpe, die Grundwasser aus der Baugrube fördert. „Wir können gar nicht mehr auf der Terrasse sitzen“, sagt Bahmann.

Seine Nachbarin Gerda Willinsky ist ebenfalls verärgert. Auch ihr missfällt, dass die Anwohner im Vorfeld „nicht gut von der Stadt informiert worden sind. Wir fühlen uns übertölpelt“, sagt sie. Neben dem Lärm leide sie außerdem unter dem Gestank der Dieselmotoren. „Sie klauen uns zwei Jahre unseres Lebens“, sagt die 75-Jährige. Sie sei „erbost über die Stadt und enttäuscht“.

Die Fertigstellung des Projekts war einst für den Sommer 2014 geplant. Der aktuelle Terminplan sieht nun das Frühjahr 2015 vor. Und dies lediglich für den Rohbau, danach müssen noch weitere Arbeiten gemacht werden wie etwa Elektroinstallationen. Davon sollen die Anwohner dann aber nichts mehr mitbekommen, sagt Klaus Hofmann, der Leiter der Abteilung Neckar/Filder beim Tiefbauamt. Dass die Arbeiten derzeit nur schleppend vorangingen, liege an den Felsen, auf die die Arbeiter in der Tiefe gestoßen sind. „Wir sind aktuell mit der ausführenden Firma im Gespräch, wie das Problem gelöst werden kann“, erläutert er. Dies schließe auch eventuelle Mehrkosten ein. Das Gesamtbudget ist mit 4,5 Millionen Euro veranschlagt.

Verständnis für die Anwohner

Hofmann wirbt um Verständnis für die Arbeitszeiten von 7 bis 20 Uhr. „Das Projekt zieht sich durch den insolventen Subunternehmer und das Gesteinsproblem deutlich länger hin als geplant. Um die Bauzeit zu reduzieren, muss jetzt so viel wie möglich am Tag gearbeitet werden.“ Dem Vorwurf, nicht ausreichend informiert zu haben, widerspricht er. Die Maßnahme sei im Vorfeld mit Postwurfsendungen angekündigt worden, und bei Baustart habe man nochmals informiert. Gerne sei man bereit, Gespräche vor Ort zu führen, so Hofmann. Er habe Verständnis für die Anwohner. „Die Situation ist unglücklich. Wir bemühen uns, für eine Lärmdämmung der Pumpe zu sorgen“, verspricht er.

Hofmann rechnet damit, dass die lärmintensiven Arbeiten noch circa sechs Wochen andauern werden. Danach geht es in Richtung Osten und anschließend hangabwärts weiter. Dort wird der Regenüberlaufkanal an den bestehenden Kanal angeschlossen.

„Die Baustelle wird bald kleiner und leiser“, verspricht der Leiter der Abteilung Neckar/Filder. Balsam für Siegfried Bahmanns Ohren. Der hofft, dass es bald zügig voran geht: „Man lebt nur einmal. Und wir haben uns nicht umsonst diese schöne Ecke ausgesucht, um Eigentum zu kaufen.“