Die symbolische Anhebung eines Gleisprellbocks markiert am Dienstag den Auftakt für den Baustart von Stuttgart 21.

Stuttgart - Er hat alle Chancen, zum berühmtesten Exemplar seiner Gattung zu werden: der Gleisprellbock Nummer 049. Seit 1970 fristete er - von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet - sein Dasein am Ende eines Abstellgleises zwischen den Bahnsteigen 4 und 5 des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Am Dienstag hat sein beschaulicher und ruhiger Alltag jedoch ein jähes Ende: Mehr als 400 geladene Gäste aus Politik und Wirtschaft werden ihm zu Ehren erscheinen, der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) persönlich will ihn aus den Schienen heben und ihm seinen neuen Arbeitsplatz zuweisen, denn in Rente darf der Altgediente erst im Jahr 2020 gehen. Bis dahin soll er seiner Funktion als Puffer 40 Meter weiter östlich nachkommen. Von dort aus darf er dann beobachten, wie im Zuge des Baus von Stuttgart 21 auch seine Artgenossen sukzessive um 120 Meter in Richtung Bad Cannstatt versetzt werden.

Es ist beileibe nicht so, dass es sich beim Prellbock 049 um ein besonders attraktives Exemplar der Spezies Gleisprellbock handelt. Im Gegenteil: er hat über die Jahre Rost angesetzt, für die in unscheinbarem Grau lackierte Stahlkonstruktion - hergestellt von der Osnabrücker Firma Rawie - hat sich über die Jahre niemand interessiert. Im Gegensatz zu manchem seiner Kollegen ist ihm in 40 Jahren nicht einmal das passiert, wofür er eigentlich aufgestellt wurde: Keine Lokomotive und kein Waggon hat ihn je geküsst, einen spektakulären Aufprall hat er nicht erleben dürfen.

Ausstellungsstück für das neue Stadtmuseum


Doch dieses Schattendasein hat jetzt ein Ende: Minister, Staatssekretäre, Landtagsabgeordnete, Stadträte und sogar sein Chef, Rüdiger Grube, erweisen ihm anlässlich des Baustarts endlich die Ehre, die ihm gebührt. Um seine Zukunft muss sich der Prellbock im Übrigen auch nach der geplanten Fertigstellung des neuen Tiefbahnhofs im Jahr 2019/2020 keine Sorgen machen. Bei der Bahn liegt bereits eine Anfrage der Landeshauptstadt vor, die den Ersten unter den Gleisprellböcken als Ausstellungsstück für das neue Stadtmuseum gewinnen will - vorausgesetzt, dass dieses wegen der städtischen Finanzlage geschobene Projekt bis dahin realisiert ist. Damit stünde der Prellbock auf einer Stufe mit den Turnschuhen des Ex-Spontis und späteren Bundesaußenministers Joschka Fischer, die heute im Bonner Haus der Geschichte zu besichtigen sind. Wie wir die Bahn kennen, macht sie mit dem Prellbock sogar ein gutes Geschäft und luchst der Stadt noch einen Obolus für das neue Museumsexponat ab, das die Besucher dann auf immer daran erinnern soll, dass es in grauer Vorzeit einmal einen Kopfbahnhof in Stuttgart gab.

Wenig Wertschätzung der Stuttgart-21-Gegner


Ein bisschen enttäuscht wird der Prellbock darüber sein, dass ihm die Stuttgart-21-Gegner bisher so wenig Wertschätzung entgegenbringen. Bei den sogenannten Montagsdemos gab es bisher keine Transparente mit der Aufschrift "Rettet den Gleisprellbock 049", und der Bund für Umwelt und Naturschutz hat sogar angeboten, bei seiner Versetzung mitzuwirken. Nicht einmal der Stuttgarter Architekt Roland Ostertag, der sonst gern auf die ästhetischen Aspekte des heutigen Gleisvorfelds verweist, hat sich bisher für ihn verwendet. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Hoffen wir, dass der Prellbock durch das offizielle Tamtam zu seinen Ehren am Dienstag nicht aus der Bahn geworfen wird.