Der bayerische Ministerpräsident hat den Mund mit seiner Drohung der Notwehr zu voll genommen. Aber weitermachen wie bisher will Horst Seehofer auf gar keinen Fall.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - „Wenn Integration nicht gelingt, sind die Hauptbetroffenen die kleinen Leute“, sagt Horst Seehofer (CSU) ungefähr in der Mitte seiner Ausführungen nach der Kabinettssitzung in München. Es ist der Satz, auf den es ihm am meisten ankommt an diesem Tag. Über Nacht hat der bayerische Ministerpräsident zumindest teilweise gelernt, dass es weder formal politisch noch auf der emotionalen Ebene viel nützt, mit Wörtern wie „Notwehr“ oder „Notstand“ scheinstark zu hantieren, zumal sie fehl am Platz sind, was die Lage (und die bayerischen Handlungsmöglichkeiten) an den Grenzen anbetrifft. Zuständig bleibt selbstverständlich die Bundespolizei, mithin auch die Bundesregierung, die ja die Flüchtlingspolitik via Kanzleramt koordiniert. Dass Bayern eine Hauptlast trägt, bestreitet keiner. Von Ausnahezustand ist denn auch keine Rede mehr.

 

Horst Seehofer ist eher bemüht, die selbst geschaffene Aufregung wieder zu beruhigen, als er, neben Sozialministerin Emilia Müller und Innenminister Joachim Herrmann stehend, ein neues Sofortprogramm unter dem immer noch martialischen Namen „Maßnahmen der Notwehr“ vorstellt. Der Zusatz „Zusammenhalt fördern, Integration stärken“ trifft es schon besser.

Seehofer kündigt 3772 neue Stellen an

Seehofer betont vorweg, dass sich die Staatsregierung nach Gesprächen mit den „zuständigen Ministern“ (also auch nach Auseinandersetzungen wohl mit dem teils unverantwortlich redenden Markus Söder), „Verbänden, Institutionen und gesellschaftlichen Einrichtungen“ der Verantwortung nicht nur für Bayern bewusst sei. Das Sofortprogramm nehme deswegen die Lage der bayerischen Bevölkerung wie auch die „aller Schutzsuchenden“ gleichermaßen ernst. Um den Herausforderungen weiterhin korrekt begegnen zu können, würden ad hoc, so Seehofer, 3772 neue Stellen geschaffen, vor allem in der Verwaltung, bei der Justiz und in Bildungseinrichtungen. Die meiste Sorge, und das sagt Seehofer nicht von ungefähr gleich zweimal, hätten ihm in den vergangenen Tagen die Gespräche mit Sicherheitskräften und Staatsanwälten bereitet.

Zweites und wichtigstes Ziel des Programm sei es, so Seehofer, „dass wir Menschen mit allen Unterschieden gleich berechtig hier leben lassen können“ – alles andere führe zu Konfrontationen in einer Gesellschaft, die in Konfliktfällen mindestens nebeneinander her, wenn nicht gegeneinander lebe. Bis zum Jahr 2019 sollen deshalb „60 000 erfolgreiche Arbeitsmarkintegrationen“ mit Hilfe der bayerischen Wirtschaft erreicht werden. Details blieb Seehofer vorerst schuldig, ein Abkommen werde bald unterzeichnet.

Bayern will ein Integrationsgesetz mit einem Wertekanon

Weiterhin wird Bayern direkt mit dem Bau ohnehin nötig gebrauchter Wohnungen beginnen, teilweise in Leichtbauweise und relativ schnell zu erstellen. Bis 2019 sollen für fast 500 Millionen Euro 28 000 neue Mietwohnungen von staatlicher Seite her fertig sein, ausdrücklich nicht allein Flüchtlingen vorbehalten, sondern für den Gesamtmarkt. Gettobildung will der Freistaat tunlichst vermeiden. Darauf zielt auch eine noch zu formulierende „Integrationsordnung mit einem Wertekanon“ ab, die in ein Integrationsgesetz münden soll. Kernpunkt: das „Erlernen der deutschen Sprache ist unterlässlich“.

Seehofer ließ keinen Zweifel daran, dass Bayern weiter der Meinung ist, „dass Zuwanderung gesteuert werden muss“. Um „die Solidarität zu halten“ in der Bevölkerung, sei eine „sofortige Begrenzung notwendig“, ergänzte Innenminister Joachim Herrmann. Bund und EU forderte er auf, die EU-Außengrenzen „effektiver zu schützen“ und „zügige Asylverfahren“ zu gewährleisten. Bis hin zur Verfassungsklage behalte sich der Freistaat vor, geltendes Recht durchzusetzen und „eigene Maßnahmen zu ergreifen“.