Die Kritik vor dem Verbandstag des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) am Samstag wird immer lauter. Bleibt Rudolf Scharping dennoch BDR-Präsident?

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Ja, er will. Zumindest ist das der letzte Stand. Rudolf Scharping möchte Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) bleiben. Das klang vor einer Woche noch anders, da hatte er noch zu wenig Zeit fürs Amt, aber das war vor einer Woche. Scharping war ja schließlich Politiker.

 

Am Samstag wird in Gelsenkirchen gewählt, und die Opposition schickt Sylvia Schenk ins Rennen, maßgeblich auf Betreiben des württembergischen Verbandes mit dem lautesten (öffentlichen) Scharping-Kritiker Hans Lutz. Sollte es zu einer Kampfabstimmung kommen, ist der BDR gespalten, heißt es zumindest. Die Juristin, die das Amt schon mal innehatte, gilt auch nicht als Traum aller Radsportfunktionäre. In den Gesprächen am Vortag der Wahl, wenn die Lager sich austauschen, werden eventuell schon die Weichen gestellt. Vielleicht kommt es dann zu keiner Stichwahl, vielleicht lässt Scharping es ja doch bleiben. Oder was auch immer. 2009 sollte der gewiefte Netzwerker schon mal gestürzt werden, was damals dann recht kläglich scheiterte.

Rudolf Scharping ist in diesen Tagen mal wieder Selbstverteidigungsminister. Eigentlich war er auch nie etwas anderes.

Scharping ist beliebte Zielscheibe für Hohn und Spott

Die „Welt“ veröffentlichte 2007 eine Philippika gegen Scharping. Es waren die Tage der Rad-WM in Stuttgart, einer durch und durch peinlichen Veranstaltung, in der praktisch jeder eine miserable Figur abgab und sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten, so gut es ging, blamierte. Scharping hatte sich für einen Start seines Spezis Erik Zabel ausgesprochen, der kurz zuvor Doping eingeräumt hatte. Jedenfalls konstatierte die „Welt“: „Wie klein und belanglos muss eine Aufgabe eigentlich sein, damit Rudolf Scharping nicht daran scheitert?“

Der Autor Hajo Schumacher bedauert seine deftigen Zeilen mittlerweile, aber so ist es mit Rudolf Scharping. Er gibt eine beliebte Zielscheibe für Hohn und Spott ab. Er wollte für die SPD ja mal dieses 80-Millionen-Einwohner-Land lenken, stattdessen führt er nun 140 000 Radfahrer. Er galt trotz seiner bemerkenswerten politischen Vita nie als „Elder Statesman“, sondern irgendwie immer als Gescheiterter. Rudolf Scharping polarisiert nicht mal, weil dazu ein Gegenpol gehört. Die Fronten sind klar, zumindest öffentlich. Alle gegen Rudi.

Wer mit Leuten aus dem Verband spricht, hört oft Worte wie „autistisch“ und „Elfenbeinturm“, wenn es um dessen Amtsführung geht. Und Schlimmeres. Kritik an ihm ging dabei so oft unter die Gürtellinie, dass Scharping dauerhaft ein Suspensorium tragen müsste. Ja, es kursieren ja auch so viele Episoden über Scharping, dass man glaubt, hier habe einer das Ins-Fettnäpfchen-Treten zum Sport erhoben. Aber es ist eben auch viel zu einfach, alle Missstände allein ihm anzulasten.

BDR-Präsident ist das undankbarste Amt im deutschen Sport

Nicht an allem ist Rudolf Scharping schuld. Er übernahm 2005 das Amt im BDR. Froh waren sie, einen prominenten Vorfahrer gefunden zu haben. Er, der sich in den guten Zeiten so gerne mit Jan Ullrich hat ablichten lassen, wurde Kapitän auf der Titanic, als der Eisberg noch nicht in Sicht war. Er galt als Glücksfall. Dann tauchte der Eisberg auf. Das Doping.

BDR-Präsident war und ist das undankbarste Amt im deutschen Sport. Scharping hat die Krise nicht verursacht, sondern musste sie managen. Gelöst hat er sie nicht immer glücklich. Er hat etwa lange an dem umstrittenen Burckhard Bremer festgehalten. Der war lange Sportdirektor, und viele glaubten, dass der Mann irgendwann beim BDR das Licht ausmacht, als Letzter, weil er alle Stürme überstanden hat. Seit 2011 ist er nun doch weg, aus Altersgründen. Den BDR gibt es immer noch, Bremer macht aber angeblich weiter seinen Einfluss geltend. Sportpolitisch steht Scharping an der Seite des nicht weniger umstrittenen Chefs des Weltverbandes UCI, Pat McQuaid. Der luxemburgische Verbandspräsident Jean Regenwetter bezeichnet die UCI als „Bananenrepublik“ und fordert mehr kritisches Engagement von deutscher Seite. Gekommen ist nach außen für den Geschmack vieler zu wenig. Scharping sagt, dass er nichts davon halte, Konflikte zu personalisieren.

Scharping sieht sich als guten Präsidenten

Ist Scharping ein guter Präsident? Im Grunde ist das die einzig wirklich wichtige Frage. Und dabei geht es nicht nur um den siechenden Profiradsport. Der ist zwar das Aushängeschild, aber ein Verband besteht aus weit mehr. Aus vielen verschiedenen Disziplinen, aus viel Arbeit im Hintergrund und aus allerlei komplizierten und nur selten medienwirksamen Anliegen. Kurzum: im BDR geht es, anders als für die Öffentlichkeit, auch um andere Dinge als Doping. Scharping beantwortet die Frage, ob er gut war, mit „Ja“. Der 65-Jährige verweist auf Zahlen, wie jene, dass 2012 das wirtschaftlich erfolgreichste Jahr des BDR gewesen sei und dass der Verband bei Olympia in London die Nummer zwei im Nationenranking war. Außerdem habe er sich „vehement“ im Antidopingkampf engagiert. „Wir haben das aber nicht so gut kommuniziert, wie wir es gemacht haben“, sagt er.

Die Kritiker werfen ihm mangelnde Kommunikation mit Verbänden und Athleten vor und dass neben anderen die Probleme – im Bahnradsport etwa oder auch bei der Sponsorenakquise – nicht gelöst werden. Dass er nicht richtig führt. Scharping will wieder kandidieren. Eine „Flucht“, wie er es nennt, sieht sein Plan nicht vor.